Von Alexander Sladkow
Beispiele dafür, wie wichtig die Kontrolle über die Außengrenzen eines offenen Kriegsschauplatzes wie der Ukraine ist, gibt es viele.
Ein negatives Beispiel war Afghanistan. Trotz den erfolgreichen Hinterhalten der Spezialkräfte der Sowjetarmee gegen Versorgungskarawanen der Mudschaheddin gelang es der Sowjetunion nicht, die Außengrenze der Demokratischen Republik Afghanistan zu schließen: Pakistan ließ alle und jeden hindurchspazieren, und die gesamte Militärhilfe aus den USA und anderen Drittstaaten kam ungehindert über diese Grenze ins Land. Und so konnte die Sowjetunion die Mudschaheddin nicht besiegen, obwohl ihr Militär zehn Jahre lang in den Bergen und der Wüste Afghanistans gekämpft hat.
[Dieses Argument wird von einigen westlichen Geopolitik-Autoritäten mitgetragen: Ein gewisser Dr. Jack Wheeler, der von der westlichen Konservative als Mitautor oder gar Autor der Reagan-Doktrin gefeiert wird, teilt den Afghanistan-Krieg quasi in zwei Kriege ein – und den ersten davon, vor den Lieferungen der schultergestützten Luftabwehrraketen aus dem Westen, habe die Sowjetunion gewonnen. Durchaus gültige Gegenargumente anderer westlicher Geopolitik-Spezialisten wie Mark Kramer von der Harvard-Universität, die Sowjetunion habe in Wirklichkeit sogar trotz den westlichen Hilfslieferungen an die Mudschaheddin den Krieg gewonnen und der Abzug des Sowjetkontingents im Jahr 1989 sei Folge einer rein politischen Entscheidung, sind auf das moderne Russland, das seine Wirtschaft gerade einmal wiederherzustellen begonnen hat, nur beschränkt anwendbar – auch zumal ihm als Gegner ein deutlich eskalationswilligerer Westen gegenübersteht, Anm. d. Red.]
Ein positives Beispiel ist der zweite Tschetschenien-Feldzug. Russlands Kräfte waren kaum in Tschetschenien eingedrungen, hatten die Republikhauptstadt Grosny noch gar nicht eingenommen – aber den tschetschenischen Grenzabschnitt zu Georgien hatten sie bereits abgeriegelt: Die gewagte Operation “Argun” wurde durchgeführt, und schon konnte den Terroristen im republikgroßen Kessel keine ausländische Hilfe mehr geliefert werden. Anschließend wurden riesige Guerillabanden von den Truppen zerschlagen und der feindliche Untergrund wurde von der tschetschenischen Miliz besiegt. Ende.
Ein gar nicht zustande gekommenes Beispiel sind die Minsker Vereinbarungen. Wenn Kiew sie umgesetzt hätte, hätte die Ukraine die Kontrolle über die Grenzen des Donbass zu Russland übernommen – aber die Umsetzung hätte das Land befriedet und der Westen wollte keinen Frieden, er wollte den Krieg in der Ukraine.
Und hier muss man zugeben, dass Kiew vor den Minsker Vereinbarungen seinerseits durchaus klugerweise versucht hatte, seine Truppen vorzurücken und die Grenze zu Russland im Alleingang zu erobern. Erfolglos. Dann, viel später, hat Washington Kiew einfach zum Krieg gelenkt – und jetzt lodert er.