Quelle: Sputnik © Pavel Bednyakov Ein Eindruck vom Russland-Afrika-Gipfel
Von Iwan Timofejew
In was für einer Welt leben wir heute? Wir befinden uns derzeit im Übergang zwischen dem unipolaren System, das für einen relativ kurzen Moment nach dem Ende des Kalten Krieges existierte, und der neuen multipolaren Realität, die am Horizont steht. Der diplomatische Dienst Russlands gehört zu den Hauptbefürwortern des Kurses in Richtung Multipolarität.
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Wenn wir genauer hinschauen, was um uns herum passiert, werden wir erkennen, dass die multipolare Welt in vielerlei Hinsicht bereits Gestalt annimmt. Und der Schlüssel zur Erklärung, wie sich das manifestiert, liegt darin, das Konzept aus der Perspektive verschiedener Bereiche zu betrachten, beispielsweise des allgemeinen Lebens und der Funktionsweise von Staaten und Gesellschaften. In Gesprächen mit meinen ausländischen Kollegen, insbesondere mit westlichen Kollegen, höre ich oft skeptische Stimmen, die mir sagen, dass Afrika auch auf lange Sicht nicht als ein Pol der neuen Weltordnung angesehen werden könne. Schließlich ist man es sich gewohnt, diesen Status mit Atommächten und großen Volkswirtschaften zu assoziieren.
Allerdings entwickelt sich Afrika rasant zu einem solchen Pol. Wenn wir es aus der Perspektive der Multidimensionalität und der Vielfalt dieses Kontinents betrachten, sehen wir ein enormes demografisches Potenzial und enorme Aussichten auf ein Wirtschaftswachstum. Experten der Afrikanistik kennen und studieren die Trends auf diesem Kontinent. Was jedoch von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt blieb, ist, dass afrikanische Länder sich langsam, aber sicher mit Fragen der Lebensqualität befassen und nachhaltige und hochfunktionelle staatliche Institutionen aufbauen. Was Wirtschaftswachstum, Demografie und Stabilität angeht, besteht kein Zweifel daran, dass der afrikanische Kontinent und einzelne Staaten dabei sind, ihren eigenen bedeutenden Platz in der neuen multipolaren Welt zu beanspruchen.
Es ist kein Geheimnis, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen derzeit in einer tiefen Krise befinden. Wenn Russland zu den Ländern des afrikanischen Kontinents spricht, taucht dieses Thema unweigerlich auf. Afrikaner erfahren über Russland oft über westliche Vermittler. Und natürlich hat sich das Narrativ dahingehend in den vergangenen anderthalb Jahren erheblich verschlechtert.
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Ja, es gibt die Probleme der Wirtschaftssanktionen, die Unternehmer verunsichern und Finanztransaktionen erschweren. Aber hier gibt es ein anderes Paradoxon. Als sich Russlands Beziehungen zum Westen verbessert hatten, war Moskaus Präsenz in Afrika und sein Interesse am Kontinent zurückgegangen. In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren hatte Russland objektiv gesehen viele der Vorteile eingebüßt, die es während der Sowjetzeit in seinen Beziehungen zu den Ländern des afrikanischen Kontinents gehabt hatte. Umgekehrt wuchs Russlands Interesse an dem Kontinent erneut, nachdem sich seine Beziehungen zum Westen verschlechtert hatten.
Ich würde nicht sagen, dass es hier einen eindeutigen Zusammenhang gibt, die Dinge sind einfach so, wie sie sind. Dennoch stimuliert die Krise in den Beziehungen zum Westen Russlands Bewegung nach Süden und Osten. Die Entwicklung der Beziehungen Russlands zu den Ländern des afrikanischen Kontinents wird zu einer der Prioritäten der russischen Regierung. Dies bedeutet, dass sie auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft einbeziehen wird.
Was kann Russland Afrika anbieten? Stellen wir uns Außenpolitik als Teil eines Anlageportfolios vor. In einem Anlageportfolio können wir Aktien, Anleihen und Währungen haben. Aber jedes Anlageportfolio verfügt über eine Art Versicherungsvermögen. Dies kann Gold sein, es kann eine Immobilie sein, es kann ein sehr zuverlässiger, nicht brennbarer Vermögenswert sein. Russland bildet also für afrikanische Länder, in deren außenpolitischem Anlageportfolio, genau dieses Versicherungsvermögen. Zwar nimmt ein solches Vermögen normalerweise keine dominante Stellung in einem Portfolio ein, aber im Krisenfall ist es das Versicherungsvermögen, das den Anleger retten kann.
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Mit anderen Worten: Russland kann Afrika Souveränität anbieten. Ich spreche von unabhängigen Fähigkeiten im Bereich der Informationssicherheit, der künstlichen Intelligenz, der militärisch-technischen Zusammenarbeit und im Bereich grüner Technologien. Russland würde für diese Souveränität keine Gegenleistung verlangen. Wenn wir den US-Diskurs über Demokratie betrachten, so sehen wir, dass diese ihren Preis hat. Die von unseren westlichen Partnern propagierte demokratische Fassade wird zum Objekt des “politischen Tauschhandels”, während Russland lediglich seine Erkenntnisse und sein Wissen mit seinen Freunden auf dem afrikanischen Kontinent teilt.
Natürlich muss Russland selbst noch viele Hausaufgaben erledigen. Dazu gehört auch, den Standard in den Studien der Afrikanistik zu erhöhen. Russland hat hervorragende Hochschulen wie die Russische Universität der Völkerfreundschaft – die einstige Patrice-Lumumba-Universität der Völkerfreundschaft –, das Institut für afrikanische Studien, das Moskauer Institut für Internationale Beziehungen und die Sankt Petersburger Schule für afrikanische Studien. Aber unter den Bedingungen von Russlands Hinwendung nach Süden müssten noch Dutzende mehr solcher Schulen entstehen, nicht nur ein paar wenige. Auch im Hinblick auf das Investitionsklima, auf die Aussicht einer komfortablen Ausbildung in Russland für Studenten aus Afrika und auf flexiblere Geschäftsmöglichkeiten gibt es noch viel zu tun.
Dieser Artikel wurde als Erstes in Federal Press veröffentlicht.
Aus dem Englischen.
Iwan Timofejew ist Programmdirektor des Waldai-Klubs und einer der führenden Außenpolitikexperten Russlands.
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