Meinung Das Antisemitismus-Problem oder: Warum ständiges Schwarz-Weiß-Malen toxisch ist
Aber diese normale erwachsene Einstellung erodiert, oder vielmehr wird sie erodiert. Der Kult der Diversität, der derzeit im Westen praktiziert wird, drängt nicht nur die Wahrnehmung menschlicher Gleichheit in den Hintergrund, die für Humanität so zentral ist wie für wirklichen Frieden; sie hebt auch die Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen auf, die untrennbar mit jener zwischen Trieb und Bewusstheit verknüpft ist. Das Öffentliche ist ein Raum, der nur entsteht, wenn die Triebe und die Gefühle kontrolliert werden. Wird diese Kontrolle aufgehoben, ist es keine geordnete Gesellschaft mehr, sondern ein Mob.
Bei Brecht finden sich viele Texte, in denen er sich mit diesen emotionalen Manipulationen befasst hat. Seine Ablehnung ging so weit, dass er die Forderung aufstellte, dem Schauspieler müsse jederzeit anzusehen sein, dass er eine Rolle spielt. Er war vor hundert Jahren nahe genug bei den Anfängen Hitlers, um über dessen Schauspielunterricht zu schreiben und darüber, dass der seine Reden vor dem Spiegel einzustudieren pflegte.
Damals war das ein in der Politik befremdliches Maß an Künstlichkeit. Aber nun ist diese Künstlichkeit wieder zurück, auf dem Umweg erst über den Kult der persönlichen Betroffenheit bis hin zu den heutigen Kunstfiguren, die das “Arbeitsergebnis” von PR-Beratern, Visagisten und Hoffotografen sind.
Die auffällige Kindlichkeit von Gestalten – wie etwa der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock – wirkte zuerst wie ein persönlicher Makel, eine Unfähigkeit, Rolle und Person zu trennen. Aber wenn man die immer weiter fortschreitende Emotionalisierung betrachtet, die derzeit gerade bei geopolitischen Fragen stattfindet, wirkt das eher wie das erforderliche Vehikel. Denn man braucht die Identifikation, damit das Publikum die gewünschten Gefühle entwickelt; darum sind die Gestalten, die diese Gefühle vermitteln, so distanzlos, so unpassend menschelnd.
Das obige Bild, auf dem sich der deutsche Bundeminister der Verteidigung Boris Pistorius auf seiner Reise nach Israel ausgerechnet von seinem israelischen Gegenstück trösten lässt, der zuvor in seiner Wortwahl aus den Palästinensern “menschliche Tiere” gemacht hatte, während es bei besagter Reise tatsächlich um Waffenlieferungen ging, kann geradezu symbolisch für diese Entwicklung stehen.
Was in Deutschland – und nicht nur in Deutschland – auf diese Weise erzeugt wird, ist ein Zustand permanenter Hysterie, der Verhaltensweisen ermöglicht, die unter normalen Umständen schon aus Gründen der Scham unterbleiben würden. Es ist die grundlegende Lektion des Erwachsenseins, sich in das Gegenüber hineinversetzen zu können; das ist zwar nicht Voraussetzung der Sexualität, aber Voraussetzung der Liebe. Es ist genau diese Empathie, die in allen politischen Kampagnen spätestens seit Corona massiv bekämpft und mit allen Mitteln tabuisiert wird. Emotionale Überwältigung ist dabei sowohl Mittel als auch Zweck.
Der tägliche Wahnsinn – Schulze, machtbewusst: “Wir Grünen sind Impulsgeberinnen und Kontrollorgane”
Das Schlimme daran ist, dass diese Überwältigung immer ein durchaus erkennbares Ziel hat. Sie blendet das Politische aus, um ein politisches Ziel zu erreichen, das in der Regel Blutvergießen heißt – und zwar in großem Maßstab. Momentan geht es darum, eine globale Hegemonie zu sichern, und da werden alle Register gezogen, ohne jede Hemmung. Die Manipulation des Gefühls ist so allgegenwärtig, wird derart hemmungslos ausgereizt, dass ein Joseph Goebbels vor Neid erblassen würde.
Man könnte meinen, dass die “Wissenschaft”, die zwar im Zusammenhang mit Krieg und Frieden nicht, aber bei den Themen Klima und Corona immer wieder betont wird, für Rationalität steht. Aber das tut sie nicht. Genauso wenig wie die unzähligen Stiftungen, die vorgeben wollen, welche Information als wahr gelten soll. Letztlich vermitteln sie alle die gleiche Botschaft: Denke nicht, fühle! Ob die externe Instanz, der das Denken übertragen werden soll, nun “die Wissenschaft” oder “der Führer” heißt, macht letztlich keinen Unterschied. Entscheidend ist die Ersetzung des Denkens durch das Gefühl.
Der kindliche Zustand, der dadurch hervorgerufen wird, ist von innen so verführerisch, wie er von außen abstoßend ist. Man konnte das in Videos aus der Ukraine schon 2014 sehen. In jenen Aufnahmen, auf denen Jugendliche zu Mordparolen auf dem Schulhof hüpften. Die Versuchung dieses Zustands liegt im Abstreifen der Verantwortung, dieser schweren Last, selbst moralische Entscheidungen treffen zu müssen. Es ist diese Verleugnung von Verantwortung, diese falsche Kindlichkeit, die die wirklich großen Menschheitsverbrechen ermöglicht.
Man kann wissen, wohin dieser Kahn steuert, gerade in Deutschland. Aber das Erwachen aus dem emotionalen Rausch ist mühsam und unangenehm. Meist braucht es dafür erst eine unübersehbare Niederlage oder zumindest einen Zustand, in dem die materiellen Realitäten ihr Recht fordern und dem Einzelnen abverlangen, wieder selber zu denken.
Es ist übrigens – auch das sollte man nicht vergessen – völlig gleichgültig, ob dieser Zustand gezielt herbeigeführt wurde oder als Ergebnis einer Verkettung ungünstiger Umstände zurückkehrte. Es ist klar, wohin er führt, und auch das Gegenmittel ist bekannt – ein eisernes Beharren auf der Vernunft.
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