Quelle: www.globallookpress.com © via www.imago-images.de Viele Medikamente sind derzeit nicht lieferbar.
Die anhaltenden Lieferengpässe bei vielen Medikamenten bereiten Apothekern in Deutschland zunehmend Sorge. Neben Schmerz- und Fiebersäften fehlt es zurzeit vor allem an Penicillin, Amoxicillin und anderen Antibiotika. Ausbaden müssen diesen Mangel letztlich die Apotheken, welche Alternativen für die fehlenden Arzneimittel finden müssen. In der Regel sucht der Apotheker dann ein vergleichbares Präparat, was sich angesichts der aktuellen Lieferengpässe jedoch oftmals als schwierig erweist. Abhilfe soll ihnen deshalb nun eine von der Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) erarbeitete Übersicht verschaffen, die eine Auflistung alternativer antibiotischer Wirkstoffe enthält.
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Die dort angegebenen Wirkstoffe können Apotheker im Bedarfsfall mit ihren eigenen Lagerbeständen abgleichen, um bei ärztlichen Rücksprachen konkrete Alternativvorschläge unterbreiten zu können. Allerdings ist nicht jedes Antibiotikum bei jeder Infektion einsetzbar. Vor Ausgabe eines Alternativpräparates an Patienten sind Apotheken deshalb angehalten, Rücksprache mit einem Arzt zu halten. Zudem verweist die DGKJ darauf, dass in Anbetracht der angespannten Lage auf dem Medikamentenmarkt vorab geprüft werden sollte, ob eine antibiotische Behandlung überhaupt erforderlich ist oder vielleicht doch eine “abwartende Haltung unter symptomatischer Therapie” möglich sei.
Zudem könnten bei Nichtverfügbarkeit einzelner Produkte mit antibiotischen Wirkstoffen “alternativ auch Tabletten zum Teilen verordnet oder zu einer Suspension ‒ besondere Arzneimittel-Zubereitungsform, bei der schwerlösliche Teilchen in einer Flüssigkeit aufgeschwemmt werden ‒ verarbeitet werden”. Möglich ist den Apotheken dies aufgrund der noch immer geltenden Corona-Verordnung. Wenn weder das verordnete noch ein wirkstoffgleiches Präparat lieferbar ist, dürfen sie nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt auch “ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel” ausgeben, wie es in der Verordnung heißt.
Zwar sind die Patienten in Deutschland dank diverser Alternativmittel derzeit immer noch ausreichend versorgt. Doch die Situation könnte in diesem Frühjahr erstmals kippen, da sich der Engpass bei weitem nicht nur auf Antibiotika beschränkt. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind momentan mehr als 340 Medikamente nicht lieferbar. Hinzu kommt eine massive Krankheitswelle, die den Engpass weiter verschärft. Dementsprechend ist mittlerweile auch die Politik unter Druck.
Denn die Arzneimittelkrise ist zuweilen auch auf die von den Regierungen viele Jahre lang verfolgte Auslagerung der Medikamentenproduktion ins Ausland zurückzuführen. Wurden im Jahr 2000 noch etwa zwei Drittel der Wirkstoffe in Europa hergestellt und ein Drittel in Asien, hat sich das Verhältnis laut einer Studie der Unternehmensberatung MundiCare im Auftrag des Branchenverbands Pro Generika mittlerweile umgekehrt: Zwei Drittel der gegenwärtig fehlenden Präparate werden demnach in China oder Indien hergestellt, wo es nun Probleme in den Lieferketten gibt.
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Der Vorsitzende des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, Thomas Rochell, nannte im Interview mit der Zeit als Beispiele für Probleme in der Lieferkette zuletzt gestrandete Tanker im Ärmelkanal oder Corona-Ausbrüche in Fabriken. Das Grundproblem liege seiner Ansicht nach jedoch vielmehr beim Kostendruck, der auf dem deutschen Gesundheitswesen laste, weil die Medikamente nicht mehr in der EU produziert würden. Der Fachverband fordert von der Bundesregierung deshalb sofortige Maßnahmen, da viele Ärzte und Apotheker die Patientensicherheit durch die Auslagerung der Arzneimittelproduktion ins Ausland zunehmend gefährdet sehen. Zudem sollen die geltenden Sonderregelungen aus der Pandemie, wonach es Apothekern im Falle von Lieferschwierigkeiten möglich ist, auf wirkstoffgleiche Präparate auszuweichen, beibehalten werden, so Rochell.
Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet angesichts dieser Problematik bereits seit geraumer Zeit an Neuregelungen, die durch die aktuelle Situation nun beschleunigt werden sollen. So will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Engpässen bei der Medikamentenversorgung mit einem Fünf-Punkte-Plan entgegensteuern. Der Plan sieht unter anderem eine deutlich bessere Bezahlung für bestimmte Nachahmermedikamente vor.
Daneben sollen künftige Verträge nicht mehr allein mit dem günstigsten Anbieter geschlossen werden. Ein Grund, weshalb Lieferverträge zumeist mit einem außereuropäischen Hersteller zustande kamen. Stattdessen soll zugleich auch ein europäischer Produzent als Zweitlieferant einbezogen werden. Jedoch soll die Regelung zunächst nur für Antibiotika und Krebsmedikamente gelten. Außerdem, so Lauterbach, müsse man dafür sorgen, dass auch wieder in Europa produziert werde.
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