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Petersburg, Petrograd, Leningrad: Zweite Hauptstadt Russlands feiert 320-jähriges Bestehen

Petersburg, Petrograd, Leningrad: Zweite Hauptstadt Russlands feiert 320-jähriges Bestehen

Quelle: Sputnik © Aleksei Danytschew, RIA NowostiDas Feuer der Rostrums-Kolonnen brennt nur an ganz besonderen Tagen, hier aus Anlass des 320. Geburtstages von Sankt Petersburg am 27.05.2023.

Von Anton Gentzen

Die zweitgrößte Stadt Russlands, Sankt Petersburg, feiert dieser Tage ihren 320. Gründungstag. Zwar fiel die Entscheidung Peters des Großen an der Newa-Mündung eine Festung und seine neue Hauptstadt als Zeichen des endgültigen “Durchbruchs” Russlands ins begehrte Europa anzulegen, etwas früher und erste Bauarbeiten soll es nach gregorianischem Kalender schon am 1. Mai des Jahres 1703 gegeben haben.

Offiziell wird der Beginn der Geschichte von Sankt Petersburg jedoch mit dem Datum 16. Mai nach dem damaligen Stand des julianischen Kalenders beziehungsweise dem 27. Mai 1703 nach dem heute weltweit und auch in Russland geltenden gregorianischen Kalender angegeben. An diesem Tag wurde auf einer der alten Festung Nyenschanz gegenüber gelegenen Insel im Newa-Delta der Grundstein für die nach dem Namenspatron des Zaren benannte Peter-und-Paul-Festung gelegt.

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Der Bau der eigentlichen Hauptstadt begann dann im Jahr 1706, wobei das geplante Stadtzentrum von einer Insel (Petrogradskaja Storona) auf die andere (Wassiljewski) und schließlich auf seinen heutigen Platz südlich der Newa wanderte. Die Pläne wurden den örtlichen Gegebenheiten angepasst.

Im Jahr 1710 gab es schließlich den Zarenerlass, der Sankt Petersburg zur Hauptstadt Russlands machte, die es bis ins Jahr 1918 blieb, als die Sowjetregierung unter Lenin wieder nach Moskau zog.

Die neue Hauptstadt wurde zum Inbegriff des imperialen Russlands und wer Russland wirklich verstehen möchte, dem bleibt ein Weg an die Newa nicht erspart. Hier wirkten die größten russischen Schriftsteller und Komponisten, hier wuchsen klassizistische Paläste und für ihre Zeit gigantische Mietshäuser Seite an Seite, eingeordnet in ein strenges geometrisches Raster. Wie eine Perlenkette haben sich die Sommerpaläste der Zaren und Imperatoren um die Stadt gelegt, umgeben von großen Park- und Fontänenanlagen, üppig verziert mit Gold und kunstvollem Stuck. Vieles ist immer noch da, zum Teil sorgfältig wiederhergestellt nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, und steht zur Besichtigung durch Touristen offen, inklusive der weltberühmten Eremitage, einst Winterwohnsitz der Zaren und politisches Zentrum des Landes, heute eine der weltweit größten Kunstsammlungen. 

Zu den Feierlichkeiten gehört es selbstverständlich, den Stadtgründer zu ehren: Sankt Petersburger legen Blumen am Denkmal von Peter dem Großen nieder, 27.05.2023.Aleksei Danitschew, RIA Nowosti / Sputnik

Nach Beginn des Ersten Weltkriegs war der deutsche Name nicht mehr opportun, er wurde russifiziert, denn “Grad” ist nichts anderes als die russische Entsprechung von “Burg”. Die Stadt hieß nun Petrograd, aber nicht für lange Zeit: Die Revolutionen folgten einander in kurzen Abständen und im Oktober (nach gregorianischem Kalender November) hatte der Umsturz der Bolschewiki unter dem Politikgenie Wladimir Lenin Erfolg: Die weltweit erste erfolgreiche sozialistische Revolution nahm ihren Ausgangspunkt in dieser Stadt. Davon legt bis heute die “Awrora”, der Panzerkreuzer, der mit einem Schuss das Startsignal für den Umsturz gab, Zeugnis ab. 

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Nach Lenins Tod im Januar 1924 wurde die Stadt nach ihm benannt: Leningrad. Mit diesem Namen ist auch die größte Tragödie in ihrer Geschichte verbunden, die Leningrader Blockade im Zweiten Weltkrieg. Der Belagerung durch die hitlerdeutschen Truppen fielen fast eine Million Einwohner zum Opfer. Dokumente belegen, dass es sich um einen zielgerichteten, geplanten Genozid gehandelt hat. 

Nach dem Krieg wuchs Leningrad weniger stark als Moskau. Der Einwohnerzahl nach hatte Letztere der Zweiten Hauptstadt schon in den 1930er Jahren den Rang abgelaufen und wuchs seitdem bis heute im atemberaubenden Tempo von einer Million Einwohnern pro Jahrzehnt. Petrograd-Leningrad dagegen, das vor der Revolution die Marke von zwei Millionen Einwohnern geknackt hatte, erreichte mit Vororten im Jahr 1989 fünf Millionen Einwohner, heute sind es etwa 5,4 Millionen. 

Dementsprechend ruhiger ging und geht es hier zu, wobei “ruhig” bei Metropolen dieser Art kaum der passende Begriff ist. Zu Sowjetzeiten hatte die Stadt den Ruf, freier, intellektueller und auch schräger zu sein, als das stolze und satte Moskau. Hier spielte sich der russische “Underground” ab, hier wurden Legenden wie Wiktor Zoi geboren. Hier las man mehr, hier legten ausländische Schiffe an und Finnen und Schweden kamen in Scharen auf der Suche nach Alkohol. 

Ein Panorama, das die altert: Blick auf die Stadt, als sie noch Leningrad hieß, 10.08.1989Boris Prichodjko / Sputnik

Diesen Ruf als heimliche Hauptstadt der Intellektuellen hat Sankt Petersburg noch heute – der alte Name kehrte im Sommer 1991 nach einer knapp gewonnenen Volksabstimmung zurück (das umliegende Gebiet trägt noch immer den Namen Lenins) und auch den der etwas vornehmeren Touristenfalle.

Anstatt eines Glückwunsches zitieren wir einfach die Worte von Tatjana Montjan: 

“Heute hat St. Petersburg Geburtstag – es ist 320 Jahre alt! Für eine Stadt ist das gar nicht viel, aber was haben Sankt Petersburg, Petrograd und Leningrad im Laufe der Jahre nicht alles ertragen müssen, was haben sie nicht alles durchlebt. Hinzu kommt, dass die Stadt, gelinde gesagt, nicht gerade das angenehmste Klima hat. Aber das wird durch die bemerkenswerten Menschen, die natürliche und architektonische Schönheit, das beeindruckende Theater-, Literatur- und Museumserbe mehr als wettgemacht. Auch an regionalen kulinarischen Köstlichkeiten mangelt es nicht. Vielleicht gefällt es Ihnen, vielleicht auch nicht, aber es ist auf jeden Fall mindestens einen Besuch wert!”

Eben mindestens, denn wer einmal dort war, wird auch wieder zurückkommen. Mehrmals. 

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