Meinung

Bandera-Hymne auf dem Marienplatz: Brief an die Münchener Stadträte

Bandera-Hymne auf dem Marienplatz: Brief an die Münchener Stadträte

© Thomas Wolf, www.foto-tw.de, CC BY-SA 3.0 DE , via Wikimedia CommonsDer Marienplatz in München

Von Dagmar Henn

Liebe Stadträtinnen, liebe Stadträte der Landeshauptstadt München,

ist Euch aufgefallen, was auf dem Marienplatz beim CSD gesungen wurde? Der ukrainische Sänger Mélovin trug ein Lied vor, dessen Refrain lautet:

“Bandera ist unser Vater, die Ukraine ist unsere Mutter, wir werden für Bandera kämpfen.”

Ihr mögt ja gerne verdrängen, welch eigenartige Helden die heutige Ukraine verehrt, aber Ihr solltet wissen, wer Bandera war – schließlich ist er auf dem Münchner Waldfriedhof begraben und verbrachte seine letzten Lebensjahre in unserer Stadt.

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2014, noch vor dem Putsch in Kiew, hatte ich vor diesen ukrainischen Faschisten gewarnt. Als der Münchner Stadtrat eine Resolution verabschiedete, die pauschal alle Seiten während des Maidan zur Gewaltfreiheit aufrief, bat ich die damaligen Stadträte, zumindest eine Formulierung hinzuzufügen, die die deutschen Institutionen auffordert, ihre Zusammenarbeit mit Parteien wie Swoboda in der Ukraine einzustellen. Ich erwähnte, dass Swoboda von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt wurde, ebenso wie die von Witali Klitschko gegründete Partei UDAR. Ich erwähnte, dass Swoboda Fackelmärsche zu Ehren von Bandera durchführt, und dass die Mitglieder aufgefordert wurden, mit Schusswaffen bewaffnet zu den Maidan-Demonstrationen zu kommen.

Es hat mich damals überrascht, dass niemand bereit war, diese Ergänzung in den Text aufzunehmen; schließlich wurde immer betont, die Stadt München stehe gegen Rassismus und gegen Nazis. Dennoch erfolgte aus München kein Versuch, den ukrainischen Bürgerkrieg zu stoppen, und der Kiewer Bürgermeister Klitschko, der immerhin selbst ein Freikorps aufgestellt hatte, um im Donbass zu kämpfen, und der sich damals bereits auch mit der Fahne von Asow ablichten ließ, einer unzweifelhaft faschistischen Formation mit entsprechendem Verhalten, wurde bei Besuchen in München mit keinerlei Kritik konfrontiert.

Als ich mich damals in der Vollversammlung gegen diese Resolution wandte, war noch nicht sichtbar, was danach folgen würde. Aber es war sichtbar, um wen es sich bei den ukrainischen Nationalhelden handelt (Bandera ist nur die Spitze des Eisbergs). Jahrzehntelang befand sich die Zentrale der OUN-B, der lange von Bandera geführten radikalsten ukrainischen Nationalisten, in der Münchner Zeppelinstraße. Es wurden genügend Bandera-Anhänger in Bayern aufgenommen, dass bekannt sein muss, um wen es sich dabei handelt.

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In mehr als einer Hinsicht. Es gibt eine ausführliche Recherche eines US-Reporters aus den 1970er Jahren, bei der es um eine “Operation Ohio” geht. Ich kann gerne eine Kopie dieses Artikels zusenden; ich habe ihn vor Jahren auch ins Deutsche übersetzt. Es geht dabei um eine Reihe von Morden, die die OUN-B in den Flüchtlingslagern (DP-Lagern) an politischen Konkurrenten begangen haben soll, etwa Angehörigen der OUN-M. Nach diesen Recherchen, die sehr glaubwürdig scheinen, waren es insgesamt an die hundert Morde, die im Auftrag Banderas noch in Deutschland begangen wurden; gedeckt erst von der US-amerikanischen Besatzungsbehörde und dann von den Behörden der jungen Bundesrepublik.

Es waren Angehörige der OUN-B, die 1941 das Pogrom in Lwow veranstalteten, einer der schrecklichsten Momente in einer an Schrecken nicht armen Zeit. Als die Nazi-Wehrmacht bereits auf dem Rückzug war, erfolgte dann noch das Wolhynien-Massaker an den galizischen Polen. Das ist es, wofür der Name Bandera steht.

Der Sänger Mélovin muss genau wissen, was er da gesungen hat – er stammt aus Odessa, der Stadt des Massakers am 2. Mai 2014, dem Augenblick, an dem der wiederbelebte und an die Macht gekommene ukrainische Nazismus sein wahres Gesicht zeigte. Ein Odessit, der ein Loblied auf Bandera singt? Ganz Odessa weiß, was damals geschehen ist, und wer aus Odessa stammt und dieses Lied singt, stellt sich wissentlich auf die Seite der Mörder.

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Aber auch das ist noch nicht alles, was es über dieses Stück zu sagen gibt. Es ist das ukrainische Gegenstück zum Horst-Wessel-Lied der Nazis, es wird insbesondere von Asow mit Begeisterung gesungen und verbreitet. Würde der Münchner Stadtrat auch einen Vortrag des Horst-Wessel-Lieds auf dem Marienplatz ohne Protest hinnehmen, wenn es denn nur auf Ukrainisch und in musikalisch modernisierter Form vorgetragen würde?

Die damalige Entscheidung, im Februar 2014, war der erste Schritt auf einem langen Weg in die falsche Richtung. Damals versicherte die Friedhofsverwaltung noch, man werde das Grab Banderas unter Beobachtung halten und es nicht zulassen, dass es zu einer Pilgerstätte für ukrainische Nazis werde. Das ist erst neun Jahre her. Inzwischen geht es längst nicht mehr um ein Grab auf dem Waldfriedhof oder um ein nicht mehr wirklich bedeutendes Büro in der Zeppelinstraße. Inzwischen geht es um die Hymne der ukrainischen Faschisten, gesungen mitten im Herzen der Stadt. Wann war es das letzte Mal, dass eine Nazi-Hymne dort gespielt wurde, vor jubelndem Publikum? 1945?

Liebe Stadträtinnen und Stadträte, Ihr habt Euch schon im vergangenen Jahr nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als Ihr von einer ganzen Reihe russischer Künstler Distanzierungen von der russischen Regierung verlangt habt. Bei allen Beteuerungen, keinen Rassismus dulden zu wollen, habt Ihr selbst rassistisch gehandelt. Denn zum einen ist der einzige Grund, warum Ihr so reagiert habt, die Nationalität dieser Künstler, und zum anderen gab es keinerlei auch nur ansatzweise ähnliche Reaktion in Bezug auf – sagen wir – US-amerikanische Künstler bezüglich des Irakkriegs, oder – damit es nicht so lange her ist – bezüglich der Bombardierung Libyens. Besonders bizarr wird dieses Verhalten, wenn man es mit der fortgesetzten Blindheit den Ukrainern gegenüber vergleicht.

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Ich fürchte, dass Ihr auch auf diesen Skandal ebenso wenig reagieren werdet, wie damals meine Warnungen gehört wurden. Die Kooperationen deutscher Stiftungen und Institutionen mit ukrainischen Nazis haben mit zum Ausbruch des Bürgerkriegs 2014 beigetragen, und eine klare deutsche Haltung gegen den Angriff auf den Donbass, eine Reaktion auf Odessa, auf die Integration irregulärer nazistischer Einheiten wie Asow in Polizei und Streitkräfte – es gibt hundert Möglichkeiten, wie deutsche Politiker hätten eingreifen können. Sie haben es nicht getan, auch in München nicht, obwohl unsere Stadt gerne zu allen möglichen außenpolitischen Themen Stellung bezieht.

Die heutige Lage ist das Ergebnis dieses Nichthandelns. Aber mehr noch, meine damaligen Befürchtungen wurden weit übertroffen, denn eine ukrainische Nazi-Hymne auf dem Marienplatz hätte selbst ich mir nicht vorstellen können. Dass die Wiederauferstehung dieser Ideologie in der Ukraine nicht nur geduldet, sondern aktiv gefördert wurde, führt auch dazu, dass sie sich, in ein etwas modischeres Gewand gehüllt, ungehemmt wieder verbreitet. Die Mörder von Lwow, Wolhynien und Odessa werden unter Regenbogenfahnen gefeiert – während sich gleichzeitig der Münchner Stadtrat über ein Rammstein-Konzert empört.

Es wäre schön, wenn es zu diesem Vorfall eine Entschuldigung gäbe. Es wäre noch schöner, wenn für die Zukunft sichergestellt würde, dass derartige Stücke nicht gespielt oder Künstler, die derartige Stücke spielen wollen, nicht eingeladen werden. Aber ich fürchte, dass auch hier als Reaktion nur Schweigen folgt oder womöglich gar eine Rechtfertigung versucht wird, weil man doch mit eben dieser Bandera-Ukraine solidarisch sein müsse.

Es ist ein weiter Weg, den unsere Stadt seit Anfang 2014 zurückgelegt hat. Ich warte auf den Moment, an dem sie begreift, dass es der falsche Weg ist.

Grüße aus Moskau,

Eure ehemalige Kollegin

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