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Genozid im Gazastreifen: Für Baerbock könnte es persönliche Folgen haben

Genozid im Gazastreifen: Für Baerbock könnte es persönliche Folgen haben

Quelle: Legion-media.ru © https://www.legion-media.ru/item/en/1/413440025.158Nicht nur für Netanjahu könnte das massenhafte Morden im Gazastreifen Folgen haben, auch Baerbock befürchtet persönliche Konsequenzen

Von Tom J. Wellbrock

Nach der Klage Südafrikas gegen Israel hatte der Internationale Gerichtshof schon Januar 2024 festgestellt, dass es klare Hinweise für genozidales Vorgehen durch Israel gibt. Aus Nicaragua kam danach die Klage gegen Deutschland, das der Beihilfe zum Genozid verdächtigt wird. In deutschen Medien spielen die Vorwürfe gegen Deutschland kaum eine Rolle, und wenn, dann verweisen Talkshow-Gäste oder die schreibende Zunft gern darauf, dass in Nicaragua ein autokratisches System das Sagen habe und man daher die Klage gar nicht ernst nehmen müsse. Völkerrechtler schlagen ob dieser flegelhaften Verhaltensweise die Hände über dem Kopf zusammen und merken an, dass man die Vorwürfe prüfen müsse, statt sie einfach abzutun.

"Abgelaufene Süßigkeiten": Palästinensischer Journalist zeigt US-Air-Drops für Gaza

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Lediglich Florian Warweg von den NachDenkSeiten fragt regelmäßig kritisch auf der deutschen Bundespressekonferenz nach. Was er als Antwort erhält, ist das übliche deutsche Gerede über Israels Recht, sich zu verteidigen. Dass dieses Recht längst zu einem Massenmord an Zivilisten verkommen ist, juckt die Vertreter der Bundespressekonferenz nicht.

Deutschland in Den Haag

Die Bundesregierung hat aber still und leise vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ihre Strategie geändert. Nicht die deutsche Staatsräson oder das Selbstverteidigungsrecht Israels war das Kernargument Deutschlands vor Gericht, sondern der Hinweis darauf, dass man die Waffenlieferungen ja bereits reduziert habe.

Dieser Strategiewechsel ist durchaus sinnvoll, denn Deutschland, das sich gern als moralische Übermacht präsentiert (während es gleichzeitig Waffen an die faschistische Regierung Israels liefert und die in Teilen faschistische und zutiefst korrupte Regierung in Kiew unterstützt), wäre in Not, wenn ausgerechnet das höchste Gericht der Vereinten Nationen sie wegen Beihilfe zum Genozid verurteilt.

Die israelische Nachrichtenseite ynet soll laut Michael Lüders Ende März 2024 von einem Gespräch zwischen Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) und ihrem Amtskollegen aus Israel berichtet haben, in dem diese die Sorge formuliert haben soll, persönlich wegen Kriegsverbrechen belangt werden zu können, falls der Internationale Gerichtshof ein Urteil zuungunsten Deutschlands ausspricht. Das ist natürlich schon etwas anderes als eine Debatte im Bundestag oder eine Talkshow-Diskussion.

Gut möglich, dass zum Strategiewechsel auch die Tatsache zählt, dass Deutschland mehr oder weniger überraschend eine Resolution in der UN-Vollversammlung eingebracht hat, wie die NachDenkSeiten berichten:

“Deutschland plant, Anfang Mai zusammen mit Ruanda eine Resolution in der UN-Vollversammlung in New York einzubringen, mit dem Ziel, die Massaker in Srebrenica im Juli 1995 offiziell auf UN-Ebene als ‘Genozid’ anzuerkennen. Verbunden ist dies mit der Forderung, den 11. Juli zum ‘Internationalen Tag der Reflexion und des Gedenkens an den Völkermord in Srebrenica 1995’ zu erklären.”

In schon fast “deutscher Tradition” war die Einbringung der Resolution nicht nur technisch mangelhaft und überging den dreigliedrigen Ratsvorsitz, der sich aus je einem Vertreter der Bosniaken, der Serben und der Kroaten zusammensetzt. Gleiches hatte zuvor Zlatko Lagumdžija, UN-Botschafter von Bosnien und Herzegowina, getan. Doch die Einbeziehung der Bosniaken, der Serben und der Kroaten ist in der Verfassung vorgeschrieben.

Fraglich ist auch, was Deutschland mit der Resolution erreichen will. Denn sie löste eine heftige Debatte über die Definition des Begriffs “Völkermord” einerseits, aber auch Empörung durch Serbien andererseits aus, das sich pauschal als Volk verunglimpft sieht. In der medialen Berichterstattung deutet sich spürbar an, dass diese Empörung durchaus eine sachliche Grundlage hat.  

Bezeichnend ist die Reaktion Israels, das die Resolution scharf kritisiert, weil es durch sie womöglich auch mit dem Genozid im Gazastreifen in Verbindung gebracht werden könnte. Die Kritik kommt nicht von ungefähr, denn was Israel im Gazastreifen anrichtet, ist auch ohne die UN-Resolution ein eklatanter Genozid, der Fall Srebrenica wird dagegen unter Völkerrechtlern kontrovers diskutiert.  

“So erklärte etwa der Leiter des Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusalem, Efraim Zuroff, in einem Gastbeitrag in der Jerusalem Post unter dem Titel ‘Nicht jedes Kriegsverbrechen ist ein Fall von Völkermord’, dass die in der Resolution verwendete Begründung ‘sehr leicht’ auf Israels Aktionen im Gazastreifen angewandt werden könnte.”

Es bleibt abzuwarten, wie Deutschland auf die Kritik aus Israel reagieren wird. Sollte es aber bei der Resolution bleiben, könnte es zur neuen strategischen Ausrichtung gehören, sich vor dem Internationalen Gerichtshof als vorbildlich zu präsentieren. In diesem Fall wäre die Resolution Deutschlands nur vorgeschoben, um sich selbst in ein vermeintlich besseres Licht zu rücken, und zwar ohne Interesse an den Folgen des politischen Handelns.

Die Dimension der Rolle Deutschlands im Krieg um den Gazastreifen geht jedoch über die Beschäftigung des Internationalen Gerichtshofes mit dem Fall hinaus. Deutschland, das seit 2022 erfolglos versucht, Russland international zu isolieren, gerät zunehmend selbst ins Abseits. Zahlreiche Länder, insbesondere des Globalen Südens, nehmen der deutschen Politik ihre inzwischen schon beinahe grotesk anmutende moralische Überlegenheit schlicht nicht mehr ab. Das hängt mit vielen Aspekten zusammen, doch die Waffenlieferungen an die israelische Regierung unterstreichen Deutschlands Doppelmoral eklatant.

Israels Vertreibungspläne 

Der Gazastreifen ist mittlerweile zu 80 Prozent zerstört, Zehntausende Tote pflastern den Weg der israelischen Angriffe. Nach den Angriffen zunächst von Israel auf ein Konsulatsgebäude in Damaskus (Syrien) und dem darauffolgenden Gegenschlag des Irans nahm das mediale Interesse in Deutschland an dem Konflikt Iran–Israel zu, das unfassbare Leid der Palästinenser rückte in die zweite Reihe. Doch der Krieg geht weiter, und die Berichte über Waffenruhen sind vermutlich eher Rhetorik. Denn selbst wenn es zu einer Waffenruhe käme, bleibt doch das Dilemma Netanjahus, der den Krieg braucht. Ein Ende des Krieges würde ihn höchstwahrscheinlich nicht nur sein Amt, sondern womöglich weit mehr kosten.

Außerdem gibt es Pläne, die einem Waffenstillstand oder gar dem Ende des Krieges widersprechen. Diese wären aber ohne die massive militärische Unterstützung der USA (dicht gefolgt von Deutschland, das sich wie bei der Ukraine auch hier den zweiten Platz bei den aktuell bekanntesten Kriegen gesichert hat) schlicht nicht möglich. Das Gestammel aus den USA und Deutschland, man gehe mit Israel hart in die Kritik, ist also öffentlichkeitswirksames Gerede ohne jegliche Grundlage und Logik.

Berlin: Polizei räumt gewaltsam pro-palästinensisches Solidaritätscamp

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Was wir bislang durch Israel in Palästina erlebt haben, könnte nur das Vorspiel zu einem weit aggressiveren Plan sein. Die Vernichtung der Hamas gehört jedoch nicht dazu. Sie ist völlig illusorisch, das wissen auch die Machthaber in Israel. Realistischer erscheint dagegen die Vertreibung der im Gazastreifen lebenden 2,3 Millionen Menschen. Angesichts der Tatsache, dass dieses Gebiet ohnehin einem Trümmerhaufen gleicht, könnte der Druck auf die Menschen bereits jetzt so groß sein, dass sie eine Umsiedlung als einzig mögliche Option betrachten. 

So hat das “Misgav Institut für nationale Sicherheit” in Israel schon im Oktober 2023 einen Plan vorgelegt, der die vollständige Umsiedlung aller Menschen im Gazastreifen beinhaltete. Der Untertitel des Papiers lautete: “Es gibt derzeit eine einzigartige und seltene Gelegenheit, den gesamten Gazastreifen in Abstimmung mit der ägyptischen Regierung zu evakuieren.” Um Kairo diese Idee schmackhaft zu machen, sollen Ägypten laut Misgav Institut Teile der Schulden gegenüber dem Westen erlassen werden.

Der Verfasser des Papiers ist Amia Weitmann, der Mitglied der Regierungspartei “Likud” von Netanjahu ist, man kann also kaum von den wirren Ideen eines Hardliners ohne Bedeutung sprechen. Regierungsmitglieder, Geheimdienstler und Militärs entwickeln immer neue Ideen mit dem Ziel, den Gazastreifen von den “störenden” Menschen zu “befreien”. Selbst die Verbreitung von Seuchen ist kein gedankliches Tabu.

Stille in Deutschland

Alarmiert durch Israels mörderische Politik, sprach die UN-Sonderbeauftragte Francesca Albanese von “vernünftigen Gründen” für die Annahme eines israelischen Völkermords im Gazastreifen. Der Verein “Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e. V.” hat die oben erwähnten Ideen für die Vertreibung der Menschen aus dem Gazastreifen in einem Dokument zusammengefasst und der deutschen Bundesregierung zukommen lassen.

Eine Reaktion hat die Bundesregierung bisher nicht gezeigt, und so wird es weiter in die internationale Isolation Deutschlands gehen. Im deutschen Blätterwald und in den zahlreichen Talkshow-Diskussionen mag man sich noch immer erfolgreich einreden, ein moralisch überlegenes Land zu sein, das auf der richtigen Seite steht und eine humanitäre Grundausrichtung in der internationalen Politik verfolgt.

Doch weltweit ist Deutschland längst unglaubwürdig geworden, wird nicht mehr ernst genommen und als diplomatischer Gesprächspartner weitgehend gemieden. Die zahlreichen Reisen Annalena Baerbocks in alle möglichen Länder dieser Welt können an dieser Analyse auch nichts ändern. Mit warmen Worten, die im diametralen Kontrast zur praktizierten Politik stehen, macht man sich auf internationaler Bühne allenfalls lächerlich.

Für die Weltgemeinschaft (wenn es so etwas denn überhaupt noch gibt) ist es ein Armutszeugnis, das passieren kann, was im Gazastreifen passiert. Und es spricht eine klare Sprache über die Verbündeten Israels, die das Grauen nicht nur nicht unterbinden, sondern mit Waffenlieferungen noch fördern und unterstützen.

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass das, was Israel derzeit im Gazastreifen anrichtet, zu den schlimmsten Verbrechen der jüngeren Geschichte gehört. Und die Unterstützer dieser Verbrechen – auch und gerade in Deutschland – gehören ebenso angeklagt wie die Täter der israelischen Regierung. Auch Annalena Baerbock.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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