Drei Tote bei israelischem Luftangriff auf einen Vorort von Damaskus
Die erste These ist, dass Israel seinem amerikanischen Verbündeten die Lüge verkauft hatte, dass man nur einen begrenzten Krieg führen werde und keinen Landraub anstrebe. Tel Aviv hatte jedoch klare Pläne, nicht nur die Sinaihalbinsel, sondern auch die Golanhöhen zu erobern, die es nach dem Krieg – zusammen mit dem gesamten historischen Palästina – als sein Territorium dauerhaft besetzen wollte. Diese These deutet darauf hin, dass Israel befürchtete, dass das amerikanische Geheimdienstschiff unerwünschte Probleme verursachen könnte, wenn es Informationen über die wahren Absichten Israels abhören würde.
Die zweite und dritte These haben mit dokumentierten Kriegsverbrechen Israels zu tun, die das Schiff hätte wahrnehmen können. Darunter das Massaker an 14 UN-Friedenssoldaten im Gazastreifen und der Massenmord an rund 1.000 ägyptischen Kriegsgefangenen im Sinai. Die USS Liberty befand sich Berichten zufolge in unmittelbarer Nähe der Stadt al-Arish, wo die israelischen Streitkräfte ägyptische Kriegsgefangene aufstellen liessen und erschoßen. Es wird angenommen, dass allein in al-Arish mindestens 400 Gefangene von israelischen Streitkräften ermordet wurden.
Die vierte These, die hauptsächlich in einem 2002 veröffentlichten investigativen BBC-Dokumentarfilm aufgestellt wurde, war, dass der Angriff eine Operation unter falscher Flagge gewesen sein könnte, die schief gelaufen ist. Dies würde auf die Beteiligung von US-Geheimdienstmitarbeitern hinweisen, die mit den Israelis Möglichkeiten diskutiert haben sollen, eine gemeinsame Operation Israels und der USA zur Versenkung eines US-amerikanischen Schiffes durchzuführen, um Ägypten dafür verantwortlich zu machen. Die Beweise dafür sind nicht schlüssig, würden aber zu der Annahme verleiten, dass sowohl der CIA als auch der Mossad nach einem Vorwand im Stil des Golfs von Tonkin suchten, um gemeinsamen einen Krieg gegen Ägypten zu beginnen.
Obwohl dies nicht völlig ausgeschlossen werden kann, argumentieren Gegner dieser These, dass Israel ohne die Hilfe der USA bereits alle seine Nachbarn zu dem Zeitpunkt praktisch besiegt hatte und es somit wenig Sinn gemacht hätte, wenn Washington damit der Sowjetunion den Vorwand für eine Intervention geliefert hätte.
Interessanterweise veröffentlichte The Intercept im Jahr 2017 zwei geheime Dokumente der National Security Agency (NSA), die mehr Licht auf den Vorfall werfen. Eines dieser Dokumente, ein bis mindestens 2006 verwendeter Geheimhaltungsleitfaden zur USS Liberty enthüllte, dass die NSA über ein eigenes System der hebräischen Transliteration verfügte. Der Leitfaden gibt jedoch an, dass diese Informationen geheim seien und man daher nicht genau feststellen könne, welche Beweise diese liefern würden. Der Artikel im Intercept stellt sich auf den Standpunkt, dass dies beweise, dass die USA den Staat Israel einst als “Geheimdienstziel” betrachtet haben. Bis heute weigert sich die NSA anzuerkennen, dass sie an diesem Tag israelische Funksignale abgefangen hat. Eine Behauptung, die in einem von der Chicago Tribune veröffentlichten Untersuchungsbericht widerlegt wird.
Der Grund, warum die Frage einer potenziellen nachrichtendienstlichen Ausrichtung der NSA auf Israel so wichtig ist, liegt darin, dass sie dazu beiträgt, die Theorie zu untermauern, dass Israel wusste, dass man ein amerikanisches Schiff angriff. Es könnte auch Anlass geben, dem Argument des russischen Autors Joseph Daichman in seinem Buch “History of the Mossad” (Geschichte des Mossad) zu glauben, dass Israel die Liberty angegriffen hat, um zu verhindern, dass die Sowjets von den USA abgefangene Informationen in die Hände bekommen. Daichman argumentiert, dass Israel berechtigt war, das Schiff anzugreifen, da ein Versäumnis dazu hätte führen können, dass die Sowjets Ägypten sensible Geheimdienstinformationen geliefert hätten, die für die Kriegsanstrengungen von entscheidender Bedeutung waren.
US-israelische Beziehungen und die ungestrafte Tötung von Menschen
Niemand wurde je für den Vorfall mit der USS Liberty für schuldig befunden. Im Jahr 1968, dem Jahr nach dem Krieg vom Juni 1967, wurde das US-Budget für die finanziellen und materiellen Hilfen an Israel um 450 Prozent aufgestockt. Israel und die USA standen sich näher als je zuvor und keine zukünftige US-Regierung würde jemals nach der Verantwortlichkeit für die Ermordung von 34 unbewaffneten US-Bürgern fragen. Unter dem Strich war Israels Position als Verbündeter der USA wichtiger als das Leben jener Amerikaner, die auf der USS Liberty Dienst taten. Und da die Geschichte in den US-Medien nie die Runde machte, gab es wenig öffentlichen Protest gegen das, was passiert war.
Während Bewegung in Verhandlungen über Atomdeal kommt: Israel simuliert Angriff auf Iran
Im März 2003 ereignete sich ein weiterer hochkarätiger Fall, in dem Israel eine amerikanische Staatsbürgerin ins Visier nahm. Dieses Mal war ein israelischer Soldat, der einen gepanzerten Bulldozer im südlichen Gazastreifen fuhr, dafür verantwortlich, eine junge Frau namens Rachel Corrie getötet zu haben. Die 23-jährige US-Amerikanerin war eindeutig als Zivilistin identifizierbar und versuchte, die Zerstörung palästinensischer Häuser durch israelische Streitkräfte zu verhindern. Nachdem ihre Eltern sich jahrelang für Gerechtigkeit durch das Rechtssystem gekämpft hatten, befand ein Gericht in Israel 2012 den Soldaten für nicht schuldig. Und das war’s.
Die US-Regierung rührte keinen Finger für die junge Corrie, die von einem israelischen Bulldozer brutal zu Tode zerquetscht worden war.
Vor etwas mehr als einem Monat wurde eine palästinensisch-amerikanische Journalistin namens Shireen Abu Akleh von einem israelischen Soldaten vorsätzlich erschossen, so die Ergebnisse einer investigativen Recherche des Senders CNN . Das US-Außenministerium behauptete zunächst, es vertraue seinen israelischen Verbündeten, den Vorfall zu untersuchen, schwieg sich aber darüber aus, was die USA selbst tun würden, um eine Rechenschaftspflicht Israels sicherzustellen. Israel erklärte später, dass man die Ermordung von Shireen Abu Akleh nicht untersuchen werde und dass man selbst für den Fall, dass einer der eigenen Soldaten dafür verantwortlich sei, ihn nicht für kriminelles Fehlverhalten zur Verantwortung ziehen werde.
Basierend auf den uns vorliegenden Beweisen scheint es, dass das Team von US-Präsident Joe Biden dieselben “Regeln” befolgt, die seit 1967 bestehen und wonach Israel niemals strafrechtlich verfolgt oder bestraft wird. Selbst wenn es für die Ermordung von US-Bürgern verantwortlich ist. Die Denkweise hier ist, dass die Hilfe der USA für Israel als bedingungslos gilt und dass die Unterstützung für Tel Aviv niemals infrage gestellt wird. Egal was geschieht.
Übersetzt aus dem Englischen.
Robert Inlakesh ist politischer Analyst, Journalist und Dokumentarfilmer und lebt derzeit in London. Er hat aus den besetzten palästinensischen Gebieten berichtet und dort gelebt und arbeitet derzeit für Quds News und Press TV. Er ist Regisseur des Films “Diebstahl des Jahrhunderts: Trumps Palästina-Israel-Katastrophe”. Man kann ihm auf Twitter unter @falasteen47 folgen.
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