Kolumbiens Vizepräsidentin verkörpert einen revolutionären Feminismus: antikapitalistisch, antirassistisch, antikolonialistisch, antipatriarchal. In einem Interview von Gerardo Szalkowicz mit der kolumbianischen Vizepräsidentin, das im Lateinamerika-Fachportal NODAL publiziert wurde, zeigt Márquez die zentralen Grundlagen ihres ideologischen Konzeptes auf. Vielleicht können sie zu einem tiefgreifenden Veränderungsprozess in Lateinamerika beitragen.
Ein Bruch mit der politischen Hegemonie
Schon allein ihre bloße Anwesenheit in der neugewählten linken Regierung Kolumbiens bedeutet einen Bruch mit der politischen Hegemonie der kolumbianischen Oberschicht. Nach 213 Jahren ist sie die erste farbige Vizepräsidentin des Landes und die zweite in Lateinamerika. Márquez erläutert:
“Dieses Land wurde von elitären, privilegierten Menschen regiert, die nie geglaubt hätten, dass eine Frau wie ich diesen Platz einnehmen könnte. Eine schwarze, verarmte, rassistisch unterdrückte Frau, ein Opfer des bewaffneten Konflikts, die sich der ganzen Politik des Todes widersetzt hat.”
Nach ihren Worten baut die neue Entwicklung auf einem seit vielen Generationen andauernden Prozess des Widerstands auf, den die indigenen Völker und die aus Afrika verschleppten Sklaven seit mehr als 500 Jahren durchgestanden haben. Die Vizepräsidentin erklärt:
“Diese Errungenschaft ist das Ergebnis vieler Kämpfe, vieler Menschen, die im Kampf starben, mehrerer Generationen, die Gewalt erleiden mussten.”
Impulse für die feministische Bewegung Lateinamerikas
Auf die Frage, welche Impulse sie selbst zu den feministisch orientierten Bewegungen Lateinamerikas beitragen könne, sagt sie:
“Der Kampf des traditionellen Feminismus lebt von einer euro-zentristischen Sichtweise. Doch wir gehen von einem kommunitären Feminismus aus, von einem schwarzen Feminismus. Weiße Frauen kämpfen darum, nicht missbraucht zu werden. Schwarze Frauen müssen kämpfen, nicht missbraucht zu werden, weil sie Frauen sind, weil sie schwarz sind und weil sie verarmt sind. Das Zusammentreffen von Rasse, Klasse und Geschlecht ist unsere Grundlage.”
Die farbige und kommunitäre Frauenbewegung entwickelt weitgehende Ziele. Márquez betont, dass es ihrer Meinung nach nicht ausreiche, Feministin zu sein, ohne gleichzeitig anti-kapitalistische und anti-rassistische Überzeugungen zu haben, und auf jeden Fall den Kolonialismus zu bekämpfen. Sie kritisiert den Kapitalismus, der den Planeten in eine wirtschaftliche, humanitäre und ökologische Krise gestürzt habe.
“Es liegt an uns, dieses Entwicklungs- und Lebensmodell in Frage zu stellen.”
Márquez führt aus:
“Wir müssen im Gefühl handeln, dass wir alle Schwestern sind, und neue Beziehungen aufbauen, auch mit den Männern zusammen. Wir alleine werden den ‘Machismo’ und das Patriarchat nicht beseitigen können. Wenn die Männer nicht selbst neue, männliche Rollen entwickeln, wird es sehr schwierig sein, voranzukommen.”