Borrell: Wegen neuer EU-Sanktionen kann Russlands Ölhandel 300 Millionen Euro pro Tag verlieren
Offiziell gehen viele Finanzanalysten, Politiker, Journalisten und andere Beobachter davon aus, dass die Marke “Urals” überall und ausschließlich für 50 Dollar verkauft würde und dass das offensichtlich keine guten Nachrichten für Moskau seien. Die Rede ist oft von milliardenschweren Einnahmeverlusten für die russische Wirtschaft – die Internationale Energieagentur (IEA) bezifferte diese Verluste Russlands im Januar 2023 auf acht Milliarden Dollar.
Preisgestaltung für “Urals” und die aktuelle Faktenlage
Allerdings sind in puncto Preisgestaltung für “Urals” zwei wichtige Aspekte zu beachten, die in einem kürzlich veröffentlichten Artikel der Russischen Zeitung erläutert werden und die sich offenbar auch das russische Finanzamt zu Herzen nahm: Erstens werden die Preise für “Urals” demnach künstlich und nur auf der Grundlage der Verschiffung aus russischen Häfen am Schwarzen Meer und an der Ostsee bestimmt, bestenfalls unter Bezugnahme auf die Gesamtexporte nach Europa, die – verglichen mit Asien oder Afrika – eher kostengünstig waren. Dabei hat Russland diese Exporte in die europäischen Länder unter Berücksichtigung der Preisobergrenze ohnehin bereits massiv eingeschränkt.
Dies kann man auch damit belegen, dass die täglichen Einfuhren von Öl und Ölprodukten in die EU, die 2022 noch rund 40 Prozent der russischen Gesamtexporte ausmachten, im Dezember dem Handelsblatt zufolge von ehemals 1,43 Millionen Barrel auf 450.000 Barrel, also weniger als ein Drittel, gefallen sind. An dieser Stelle ist natürlich nicht außer Acht zu lassen, dass gewisse Probleme beim Umlenken der russischen Lieferungen von ehemals nach Europa auf Asien nicht auszuschließen waren und dass ein Rückgang der Ausfuhren sowie dadurch gewisse entgangene Exporterlöse infolge der Einführung der Preisobergrenze nicht zu verhindern waren.
Zweitens verweist der Artikel darauf, dass rund drei Viertel des russischen Rohöls unter anderem über Häfen im Fernen Osten Russlands oder durch die sibirische Pipeline mittlerweile nach China und in andere Länder Asiens gehen und dort zu Preisen weit über dem westlichen “Limit” abgewickelt werden. Wie in der US-Studie ausgeführt, kostete das russische Öl am Pazifischen Ozean im Dezember sogar 82,24 Dollar je Barrel, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich dort die Preislage vor Ort grundlegend ändern könnte.
Das Finanzministerium in Moskau soll übrigens das Problem bei der Bestimmung des Preises von “Urals” gelöst haben, so die Russische Zeitung . Demnach werde diese Preisermittlung künftig durch einen festgeschriebenen Abschlag zum Durchschnittspreis der Marke Brent bestimmt, wobei der Rabatt auf “Urals” jeden Monat etwas verringert werden soll.
Letzten Endes ist diese ganze Angelegenheit mit dem preisbegrenzten Erdöl sehr kompliziert und nicht leicht zu analysieren, obwohl gegenwärtig doch vieles dafür spricht, dass Russland den überwiegenden Teil seines Ölexports erfolgreich umstellen konnte und seine Ressourcen nicht gerade billig verscherbeln muss. Nicht zuletzt aufgrund der dürftigen Faktenlage ist es schwierig, ein Urteil darüber zu fällen, ob die Preisobergrenze die ihr zugedachte Aufgabe erfüllen kann. Denn einerseits stellt die russische Seite keine Statistikdaten zum Handel mehr zur Verfügung, und andererseits werden diesbezüglich eher wenige zuverlässige Daten von anderen Quellen veröffentlicht.
Die Bloomberg-Studie etwa ist dabei definitiv als eine eher objektive Quelle zu betrachten, weil sie sich auf konkrete Zolldaten und auf realisierte Lieferungen bezieht und daher kaum Spielraum für politisch motivierte Interpretationen zulässt. Zahlreiche andere Quellen sind dagegen mit Vorsicht zu genießen, da sie oft auf wilden Spekulationen beruhen.
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