Der anglikanische Erzbischof von York, Stephen Cottrell, hat sich kritisch zum Gebet “Vaterunser” geäußert. Der Begriff “Vater” am Anfang des bekanntesten christlichen Gebets könne “wegen seiner patriarchalischen Bezüge belastend auf Menschen wirken”, sagte Cottrell laut britischen Medien bei seiner Eröffnungsrede vor der Generalsynode der Kirche von England am Freitagabend in York. Cottrell fügte hinzu:
“Ich weiß, dass das Wort ‘Vater’ für diejenigen problematisch ist, deren Erfahrungen mit irdischen Vätern zerstörerisch und missbräuchlich waren, und für alle von uns, die etwas zu sehr unter einem erdrückenden patriarchalischen Griff auf das Leben gelitten haben.”
Cottrell ist der zweithöchste Repräsentant der anglikanischen Kirche. Zugleich hob der Geistliche allerdings auch positive Bezüge des Vaterbegriffs hervor:
“Wenn dieser Gott, zu dem wir beten, der ‘Vater’ ist, dann sind alle Christen ‘Familienmitglieder im Hause Gottes.'”
Neben Zustimmung stieß Cottrell mit seinen Überlegungen zum Vaterunser auch auf Kritik. Chris Sugden, der Vorsitzende der konservativen Gruppe Anglican Mainstream, kommentierte die Äußerungen des Erzbischofs mit den Worten:
“Will der Erzbischof von York sagen, dass Jesus falsch lag oder dass Jesus seelsorgerisch nicht aufmerksam war?”
Cottrells Ansatz stehe dafür, dass manche Kirchenführer ihre Gedanken eher aus ihrer Kultur statt aus der Heiligen Schrift ableiteten. Wer ein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater gehabt habe, finde durch Jesus die Möglichkeit, “die wahre Natur von Vaterschaft wiederzuentdecken”.
Dagegen erklärte Pfarrerin Christina Rees, eine Wortführerin für die Weihe von weiblichen Bischöfen in der anglikanischen Kirche, Cottrell habe mit seinen Gedanken den Finger in die Wunde gelegt. Das Thema habe vor dem Hintergrund der Fälle von sexuellem Missbrauch durch leibliche Väter wie durch Priester eine besondere Schärfe bekommen.