Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat in einem Interview mit der Zeitung Die Welt den Medien eine Mitschuld am Erstarken der AfD gegeben. Diese habe das von der Ampel-Regierung geplante Heizungsgesetz abgelehnt und insbesondere den Streit innerhalb der Koalition einhellig zelebriert. Dies habe bei den Bürgern zu dem Eindruck beigetragen, “die da oben” verstünden die Sorgen des Volkes nicht. Thierse führte aus:
“Der größte Teil der Medien erzeugt inzwischen latent antidemokratische Wirkungen, weil in ihnen Streit immer negativ konnotiert und beschrieben wird. … Wenn [die Medien] unablässig von Streit, von Siegern und Verlierern, von Unfähigkeit reden, dann sinkt das Vertrauen in demokratische Institutionen und Politiker.”
Kritisch äußerte sich der frühere SPD-Politiker auch über die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der die Verabschiedung des Heizungsgesetzes zunächst gestoppt wurde. Die Entscheidung sei ein “problematischer Eingriff des Verfassungsgerichts in die Organisationsfreiheit des Parlaments” gewesen, auch wenn sie gleichzeitig “im Interesse der Freiheit des einzelnen Abgeordneten” stehe. Thierse deutete an, dass er die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Abwägung nicht teile und begründete dies so:
“Die Beschleunigung erhöht das Risiko von Fehlern. Damit will ich nicht jeden Fehler rechtfertigen. Aber es ist zu billig, das nur der Dummheit von Politikern und Beamten in die Schuhe zu schieben. Die Politiker und auch die Bürger müssen gleichzeitig so viel bewältigen. Das erzeugt Unsicherheiten und Ängste und mobilisiert Abwehr.”