Meinung Pepe Escobar: Die Geopolitik hinter der sogenannten Operation Al-Aksa-Flut
Es dreht sich alles um die Straße von Hormus
Das Herzstück der russisch-iranischen Strategie ist die Straße von Hormus, durch die mindestens 20 Prozent des weltweit verbrauchten Erdöls und 18 Prozent des weltweiten Verbrauchs von verflüssigtem Erdgas transportiert werden. Iran ist in der Lage, die Straße von Hormus umgehend zu blockieren. Zunächst einmal wäre das eine Art poetische Vergeltung in Richtung Israel, das darauf abzielt, sich das gesamte Erdgasvorkommen, das vor der Küste Gazas entdeckt wurde, illegal einzuverleiben – übrigens einer der Hauptgründe für die ethnische Säuberung von Gaza.
Doch das eigentliche Ziel wird darin bestehen, die von der Wall Street konstruierte Struktur von Finanzderivaten im Wert von 618 Billionen US-Dollar zum Einsturz zu bringen – so wie es seit Jahren von Analysten von Goldman Sachs und JP Morgan sowie Energiehändlern am Persischen Golf vorhergesagt wurde.
Wenn es also hart auf hart kommt – und weit über die Verteidigung Palästinas hinaus in einem Szenario des totalen Krieges endet –, dann werden nicht nur Russland und Iran, sondern auch wichtige Akteure der arabischen Welt, die im Begriff sind, Mitglieder der BRICS-11 zu werden, das Zeug dazu haben, das US-Finanzsystem zum Einsturz zu bringen, wann immer sie dies wollen.
Wie ein Vertreter alter Schule des tiefen Staates betonte, der jetzt in Mitteleuropa im Geschäft ist:
“Die islamischen Nationen haben einen wirtschaftlichen Vorteil. Sie können das internationale Finanzsystem vernichten, indem sie kein Öl mehr liefern. Sie müssen dafür keinen einzigen Schuss abfeuern. Iran und Saudi-Arabien können sich verbünden. Die Lösung der Finanzkrise von 2008 erforderte 29 Billionen Dollar um sie zu beheben. Aber diese nächste Krise, sollte sie eintreten, könnte nicht einmal mit 100 Billionen Dollar an virtuellem Geld gelöst werden.”
Wie mir Händler aus dem Raum des Persischen Golfs berichteten, besteht ein mögliches Szenario darin, dass die OPEC damit beginnt, Sanktionen gegen Europa zu verhängen, zunächst ausgehend von Kuwait und dann gefolgt von einem OPEC-Staat nach dem anderen. Sanktionen, die auf alle Staaten übergreifen werden, in denen die muslimische Welt als Feinde und Kanonenfutter betrachtet wird.
Der irakische Premierminister Mohammed Shia’ al-Sudani hat bereits davor gewarnt, dass die Öllieferungen an westliche Märkte aufgrund der Taten Israels in Gaza aufgeschoben werden könnten. Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian hat bereits offiziell ein umfassendes Öl- und Gasembargo islamischer Länder gegen Länder – im Wesentlichen NATO-Staaten – gefordert, die Israel unterstützen. Und die christlichen Zionisten in den USA, die sich mit dem neokonservativen Aktivisten Netanjahu verbündet haben und mit einem Angriff auf Iran drohen, haben ebenfalls das Potenzial, das gesamte Weltfinanzsystem zu Fall zu bringen.
Der ewige Krieg gegen Syrien – neu aufgelegt
Während des gegenwärtigen Gewaltausbruchs verhielt sich die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China äußerst vorsichtig. Für die Welt außerhalb dieser Partnerschaft besteht die gemeinsame offizielle Position darin, sich zu weigern, sich entweder auf die Seite der Palästinenser oder auf jene Israels zu stellen. Die Position besteht darin, einen Waffenstillstand aus humanitären Gründen zu unterstützen, die Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung zu untermauern und von Israel zu verlangen, das Völkerrecht zu respektieren. Alle Initiativen Russlands und Chinas bei den Vereinten Nationen wurden vom US-Hegemon sabotiert.
Syrien: Weitere Angriffe auf illegale US-Militärbasen
Bisher hat Washington sich mit grünem Licht für eine vollständige israelische Bodeninvasion in den Gazastreifen zurückgehalten. Der Hauptgrund liegt in der unmittelbaren Priorität der USA: Zeit zu gewinnen, um den Krieg auf Syrien auszudehnen, das von Washington beschuldigt wird, der wichtigste Transitpunkt für iranische Waffen an die Hisbollah zu sein. Das wäre gleichzeitig auch die Wiedereröffnung der alten Kriegsfront gegen Russland.
In Moskau gibt man sich indessen keinen Illusionen mehr hin. Der russische Geheimdienstapparat weiß ganz genau, dass israelische Agenten des Mossad Kiew beraten, während Tel Aviv unter starkem Druck der USA stand, Waffen an die Ukraine zu liefern. Das erzürnte gewisse Kreise im Machtapparat Russlands und könnte ein fataler Fehler der Israelis gewesen sein.
Jedoch geben die US-Neokonservativen ihrerseits niemals auf und verbreiten zwischen den Zeilen eine deutliche Drohung: Wenn die Hisbollah Israel mit etwas anderem als ein paar hausgemachten Raketen angreift – und das wird nicht passieren –, wird der russische Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in Latakia als “Warnung” an den Iran “eliminiert”.
Nach den wiederholten israelischen Angriffen auf die zivilen Flughäfen in Damaskus und Aleppo hat Moskau Syrien umgehend seinen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim als Ersatz angeboten – laut einigen russischen Geheimdienstquellen sogar mit der Freigabe für Frachtflüge der Islamischen Revolutionsgarden aus Iran. Benjamin Netanjahu wird sich wahrscheinlich nicht einer Todessehnsucht hingeben, indem er einen russischen Luftwaffenstützpunkt bombardieren lässt.
Moskau versteht auch deutlich, was die teuren amerikanischen Flugzeugträger im östlichen Mittelmeer anstellen könnten. Die Reaktion darauf erfolgte umgehend: MIG-31 Kampfflugzeuge patrouillieren jetzt rund um die Uhr im neutralen Luftraum über dem Schwarzen Meer, bewaffnet mit Hyperschall-Raketen vom Typ Kinschal, deren Einschlag im östlichen Mittelmeer nach Abschuss nur sechs Minuten dauern würde.
Analyse Die USA haben mit Russland eine Großmacht als ihren unversöhnlichen Gegnern gefunden
Inmitten dieses neokonservativen US-Wahnsinns, verlegt das Pentagon eine beeindruckende maritime Streitmacht in den östlichen Mittelmeerraum. Unabhängig davon, ob das Ziel die Hisbollah, Syrien, Iran, Russland oder alle oben genannten sind, inklusive China und Nordkorea – als Teil der neuen, von den USA definierten “Achse des Bösen” – alle diese Länder haben die Absicht angedeutet, dass sie in einem größeren Konflikt im Nahen Osten keine bloßen Zaungäste bleiben werden. Die chinesische Marine schützt den Iran bereits jetzt praktisch aus der Ferne. Doch noch eindringlicher war die Aussage des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang – ungewöhnlich unverblümt was ein seltenes Vorkommen in der chinesischen Diplomatie darstellt:
“China wird Iran weiterhin nachdrücklich bei der Wahrung seiner nationalen Souveränität, seiner territorialen Integrität und seiner nationalen Würde unterstützen und sich allen externen Kräften, die sich in die inneren Angelegenheiten Irans einmischen, entschieden widersetzen.”
Man sollte nie vergessen, dass China und Iran durch eine umfassende strategische Partnerschaft verbunden sind. Unterdessen hat der russische Ministerpräsident Michail Mischustin bei einem Treffen mit Irans Vizepräsident Mohammad Mokhber die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Iran bekräftigt.
Man erinnere sich an die “Reisfresser” in Korea
Pro-iranische Milizen auf der gesamten Achse des Widerstands führen eine vorsichtige Konfrontation gegen Israel, die einem Guerilla-Krieg nahe kommt. Sie werden noch keine massiven Angriffe ausführen. Aber alle Prognosen werden hinfällig, wenn Israel massiv in Gaza einmarschiert. Es ist klar, dass die arabische Welt trotz all ihrer massiven inneren Widersprüche ein Massaker an der Zivilbevölkerung in Gaza einfach nicht tolerieren wird.
Analyse Ist das US-Militär bereit, es mit Russland und China aufzunehmen?
Offen gesagt, hat der Hegemon USA in der gegenwärtigen Situation den Ausweg aus seiner Demütigung im Zuge des Projekts Ukraine gefunden. Washington glaubt fälschlicherweise, dass derselbe alte ewige Krieg, der nun in Westasien erneut entfacht wurde, nach Belieben “moduliert” werden kann. Und wenn sich zwei Kriege zu einer gewaltigen politischen Niederlage entwickeln, was gibt es sonst noch Neues, das der US-Hegemon anbieten kann? Er wird einfach einen neuen Krieg im Indopazifik anzetteln.
Aber nichts davon wird Russland und Iran und ihre eiskalte Überwachung des um sich schlagenden Hegemons, den sie auf Schritt und Tritt verfolgen, ablenken. Es ist aufschlussreich, sich daran zu erinnern, was der US-amerikanische Bürgerrechtsaktivist Malcolm X bereits 1964 vorhersagte:
“Ein paar Reisfresser haben uns aus Korea vertrieben. Ja, sie haben uns aus Korea vertrieben. Reisfresser mit nichts anderem bewaffnet als mit Turnschuhen, einem Gewehr und einer Schüssel Reis, ertrugen unsere Panzer und unser Napalm und all die anderen Dinge, die wir zur Verfügung hatten, und sie jagten uns über den Fluß Yalu. Warum? Weil der Tag, an dem wir vor Ort gewinnen konnten, vorbei war.”
Aus dem Englischen.
Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt “Raging Twenties” (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf X folgen.
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