Tino Chrupalla bei Lanz: Die Tücken der Staatsräson
13.12.2023
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Quelle: Legion-media.ru Tino Chrupalla in der Sendung “Markus Lanz” (Archivbild)
Von Tom J. Wellbrock
Für Deutschland geht Israel über alles, so viel ist sicher. Wer Israel angreift, greift auch “uns Deutsche” an, so stimmen seit dem 7. Oktober Politiker, Medien und Historiker ihr gemeinsames Lied an. Zur letzten Gruppe gehört auch Michael Wolffsohn, der ebenfalls zu Gast bei der gestylten Plaudertasche ohne Moderationserfahrung war. Lanz’ Frage an Chrupalla offenbarte so einiges.
Staatsräson – was war das noch gleich?
Vorweg: Tino Chrupalla reicht nicht an die Souveränität einer Alice Weidel, eines Oskar Lafontaine oder auch eines Hubert Aiwanger heran. Aber “allein gegen alle” machte er dennoch argumentativ eine recht gute Figur. Inhaltlich war die Auseinandersetzung mit den “Perlen” der deutschen Fernsehlandschaft ein Heimspiel für Chrupalla, was allerdings (einmal mehr) auch mit den schwachen Argumenten seiner Gegenspieler zusammenhing.
Nach dem Block über “Migration” und “Fachkräfte”, aus dem Chrupalla auf Augenhöhe seiner Kontrahenten hervorging, war das Thema “Israel” dran, und Lanz fragte:
“Israel ist deutsche Staatsräson. Gilt das auch für Sie, Herr Chrupalla?”
“Das muss man erst mal definieren, was Staatsräson eigentlich heißt.”
“Ja, was ist das für Sie?”
“Ja, das weiß ich eben nicht. Kann mir das jemand erklären? Wurde das irgendwo mal erklärt, was das heißt?”
Chrupallas Frage soll weiter unten beantwortet werden, aber zunächst weiter mit Lanz:
“Ja, wenn Sie uns regelmäßig gucken”, setzte Lanz an, worauf Chrupalla entgegnete: “Ich guck sie nun nicht regelmäßig.”
Nun kam die Sprache kam auf die “Mutter der Staatsräson”, auf Angela Merkel. Chrupalla merkte an, dass die damalige Kanzlerin den Begriff in den Raum gestellt hatte, ohne dass es dazu eine breite Debatte gegeben hätte. Habe die Staatsräson eine militärische Grundlage? Bedeute sie, dass Deutschland Israel mit der Bundeswehr unterstützen müsse? Und wenn ja, wo sei das zu finden, habe das jemand aufgeschrieben?
“Ich frag’ das Sie, Herr Chrupalla”, versuchte es Lanz erneut. Ja, entgegnete Chrupalla, er wisse es nun einmal nicht. Darauf Lanz:
“Entschuldigung, Sie sind der Chef einer Partei, die gerade in Ostdeutschland bei über 30 Prozent steht …”
“Ja, und?”, wollte Chrupalla wissen.
“Dann müssen Sie doch wissen, was deutsche Staatsräson ist.”
Doch Chrupalla ließ sich nicht in die Ecke drängen. Und so fragte Lanz den Historiker Wolffsohn, ob er helfen könne. Und er konnte. Irgendwie. Oder auch nicht. Dann sagte Wolffsohn:
“Also, ich kann in diesem Fall die ehemalige Bundeskanzlerin zitieren, und es wundert mich, dass Sie das nicht wissen, Herr Chrupalla”,
was eine ziemliche Verdrehung der Worte Chrupallas war, aber sei’s drum. Der Historiker fuhr fort:
“Also, die Bundeskanzlerin hat jenseits dieses schönen Wortes, das ehrfurchtgebietend ist, klipp und klar gesagt, dass ein – ich zitiere fast wörtlich – Angriff auf Israel einem Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland gleichkäme.”
Und wieder an Chrupalla gewandt:
“Egal, ob’s Ihnen gefällt oder nicht, das war also eine klare Begriffsbestimmung, und diese Begriffsbestimmung halte ich auch für höchst problematisch, sie ist zwar sehr sympathisch, aber sie ist deshalb problematisch, weil … äh, ja, weil Frau Merkel ganz eindeutig ohne Konsultation der NATO-Partner hier Artikel 5 des NATO-Vertrages hat wirksam werden lassen, denn ein Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland – Klammer auf: wäre also auch ein Angriff auf Israel – würde den Bündnisfall hervorrufen, und das heißt, dass auch die Türkei beispielsweise, Ihr neuer Freund Erdogan [was erneut Chrupalla bzw. seinem Parteikollegen Krah galt] … jedenfalls wäre dann für die NATO die Verpflichtung, Israel zur Hilfe zu kommen. Ob das richtig oder falsch ist, ist eine andere Sache. Jedenfalls ist das klar definiert worden, und alles, was ansonsten als – ich muss das schon sagen – als Blabla in Bezug auf die Staatsräson gebraucht wird, ist … ähm … Interpretation.”