Lindner und der Bauernprotest: Liebeswerben geht anders
15.01.2024
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“Nichts geht mehr” – Traktoren- und Lkw-Konvois zum Protest gegen Regierungspolitik legt Berlin lahm
All das hatte nicht wirklich das gewünschte Ergebnis. Schließlich waren schon seine Eingangsbemerkungen irgendwie nicht so recht glaubwürdig. Er betonte, das Brandenburger Tor sei ein Symbol der deutschen Einheit, und meinte dann:
“Die Klimakleber haben das Brandenburger Tor beschmiert, die Bauern haben das Brandenburger Tor geehrt.”
Als hätte er in all den Monaten nicht mit in der Regierung gesessen, bei der besagte Klimakleber freie Bahn hatten, weil sie schließlich ein Narrativ stützen, das für die Durchsetzung all der geplanten Maßnahmen wichtig ist. Die Medien sollten, erklärte er, vor Klimaklebern warnen (die er für “Linksextremisten” hält); jeder Zuhörer wird sich in diesem Moment gefragt haben, warum denn dann die Regierung nicht vor Klimaklebern gewarnt hat.
Mit dem Zuhören hatte das Publikum es allerdings nicht so, zu Beginn hielt es sogar Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied für nötig, zur Ruhe aufzufordern, nachdem Lindner kontinuierlich ausgebuht und ausgepfiffen wurde. Zur Demokratie gehöre auch, dass man dem Anderen zuhöre. Aber die Anwesenden waren offenkundig der Meinung, schon viel zu lange zum Zuhören verurteilt gewesen zu sein.
“Nach vielen Gesprächen habe ich ein Gefühl für Ihre Situation”, balzte Lindner, was das verärgerte Publikum mit lauten “Lügner, Lügner!”-Rufen quittierte.
“Sie können mir doch nicht erzählen, dass Sie wegen des Agrardiesels hier sind”, sagte er, und hatte damit eine Wahrheit ausgesprochen; doch alles, was er diesbezüglich versprach, traf mit Recht auf tiefe Skepsis. Entbürokratisieren wolle er. Die “seit Renate Künast überzogenen Umweltstandards” müssten weg. Dummerweise wussten alle Anwesenden, dass die Entscheidungen über die meisten dieser Standards in Brüssel gefällt wurden und nicht in Berlin, und dass die kleinste Partei der Koalition daran selbst dann nichts ändern könnte, wären diese Aussagen tatsächlich ernst gemeint.
Irgendwann wurde das Pfeifen und Buhen leiser. Nachdem es einen Höhepunkt erreicht hatte, als Lindner sagte:
“Mit dem Krieg in der Ukraine sind Frieden und Freiheit in Europa wieder bedroht.”
Es war aber eine relative Ruhe, die mitnichten dafür sprach, dass sein Liebeswerben erfolgreich war. Es war eher ein Nachlassen der geäußerten Empörung, weil eine Fortsetzung nicht der Mühe wert war.