In Guatemala wurde der gewählte Präsident Bernardo Arévalo am vergangenen Sonntag kurz nach Mitternacht (Ortszeit) vereidigt. Die Opposition versuchte bis zum letzten Augenblick, seinen Amtsantritt zu verhindern. Nach vielen Stunden des angespannten Wartens aufgrund von chaotischen Auseinandersetzungen im Kongress erhielt Arévalo die Präsidentenschärpe und leistete den Amtseid als Präsident von Guatemala. An seiner Seite stand die Vize-Präsidentin Karin Herrera, die ebenfalls ihren Eid auf die Verfassung schwor. Die Zeremonie sollte eigentlich nachmittags um 15:00 Uhr stattfinden. Der scheidende Präsident Alejandro Giammattei weigerte sich, seinem Nachfolger die Insignien des Präsidialamtes in der üblichen Zeremonie zu übergeben und ihn zu vereidigen. Der neue Vorsitzende des Kongresses, Samuel Pérez Álvarez, ein Abgeordneter der “Semilla”-Partei des neuen Präsidenten, musste diese Aufgabe ersatzweise übernehmen.
Hindernisse im Parlament führten zur Verzögerung
Die gewählten Vertreter von “Semilla” mussten noch in letzter Minute um ihre Anerkennung als vollwertige Parlamentsmitglieder kämpfen. Die Opposition hatte mithilfe eines regelrechten juristischen Feldzuges gegen Arévalo und seine politische Organisation deren demokratische Rechte beschnitten. Anschließend blockierten die gegnerischen Abgeordneten stundenlang die offizielle Vereidigung der neuen Kongressmitglieder.
Die zum Teil lautstark geführten Debatten im Parlament lassen nichts Gutes für die Regierbarkeit des Landes ahnen. Die “Semilla”-Partei muss als Minderheit mit anderen politischen Fraktionen Vereinbarungen treffen.
Erneute Demonstrationen für die Demokratie
Was geschah, hielt das Land in Atem, und für einen Moment glaubte ein Teil der Bevölkerung, dass der im vergangenen August mit 60,9 Prozent Zustimmung gewählte Präsident sein Amt möglicherweise nicht antreten könnte. In der Hauptstadt Guatemala-City versammelten sich die Menschen wieder auf den Straßen und protestierten gegen die Manöver im Parlament. Vor allem vor dem Kongressgebäude kam es zu Konflikten zwischen Polizei und Demonstranten.
Am Sonntagnachmittag richtete der neue Präsident einen mahnenden Aufruf an das Parlament:
“Die Abgeordneten haben die Verantwortung, den bei den Wahlen zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes zu respektieren, anstatt mit Illegalitäten, kleinlichen Schikanen und Machtmissbrauch die Demokratie zu verletzen.”
Die größten internationalen Institutionen intervenierten
Der 65-jährige progressive Soziologe und Diplomat Bernardo Arévalo erhielt nach seinem Wahlsieg im August 2023 eine in Lateinamerika noch nie erlebte Unterstützung seitens der größten internationalen Institutionen. Die Vereinten Nationen, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die Europäische Union appellierten mehrfach an die extrem feindlichen Oppositionskräfte, das Wahlergebnis anzuerkennen und die Demokratie zu wahren. Sie drohten zudem mit unmittelbaren Sanktionen. Die Mächtigen der westlichen Welt verurteilten diesmal den in Gang gesetzten, justiziell verbrämten Putschversuch in Guatemala, mit dem die Wahlergebnisse zensiert werden sollten.
Gibt es eine Wende? Mithilfe der Justiz wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche progressive Präsidenten abgesetzt und auch inhaftiert. So geschehen in Brasilien, Paraguay, Ecuador, Bolivien, Argentinien und zuletzt in Peru (der immer noch ohne Prozess inhaftierte Ex-Präsident Pedro Castillo).