Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/ARCHEOPIX Die Deutsche Umwelthilfe und der Naturschutzbund Deutschland hatten gegen das LNG-Terminal auf Rügen geklagt – das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage nun abgewiesen (Berlin, 18. April 2024)
Von Susan Bonath
Glaubt man Politik und Medien, ist “Klimarettung” oberste Pflicht jedes Bundesbürgers. Doch so ernst wie stets verkündet kann es die deutsche Obrigkeit nicht meinen. Die gewohnten Doppelstandards lassen grüßen: Wegen der selbst herbeigeführten Energiekrise genehmigten die Behörden eine Leitung für hoch umweltschädliches Flüssiggas (LNG) auf der Insel Rügen, ohne vorschriftsmäßig die Umweltverträglichkeit zu prüfen. Nun hat auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eine Klage dagegen abgewiesen.
Umweltstandards ausgehebelt
Streit um LNG-Terminal auf Rügen: “Naturzerstörend”, “Demokratiefeindlich”, “Investitionsruine”
Wie das Gericht am Donnerstag mitteilte, darf der erste 50 Kilometer lange Abschnitt dieser LNG-Pipeline wie geplant ab Mitte Mai in Betrieb gehen. Die auf dem Grund der Ostsee verlegte Leitung bindet das Terminal in Mukran, einem Ortsteil von Sassnitz in Mecklenburg-Vorpommern, an das Gasfernleitungsnetz in Lubmin östlich von Greifswald an. Dort enden auch die durch den Terroranschlag im September 2022 teilweise zerstörten Nordstream-Pipelines.
Die Verbände Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Naturschutzbund (Nabu) hatten gegen den zugrunde liegenden Planfeststellungsbeschluss des Bergamtes Stralsund geklagt. Sie kritisieren “die Natur- und Umweltzerstörung durch den Bau und Betrieb” der bereits im Januar fertiggestellten Anlage.
Die Behörde habe keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen, wie es eigentlich vorgeschrieben sei, erklärten die Verbände. Wertvolle Riffe würden dadurch unwiederbringlich zerstört sowie Laichgebiete des Herings und Vogelrastgebiete erheblich gestört. Schon jetzt seien die Fischbestände so massiv geschrumpft, dass ein fast vollständiges Fangverbot gelte. Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller sagte:
“Riffe haben als Kinderstube und als Nahrungs- und Laichhabitat eine Schlüsselfunktion für unsere Meere. Ihre Zerstörung ist ein weiterer Sargnagel für die heute schon schwer geschädigte Ostsee.”
Wie DUH-Chef Sascha Müller-Kraenner erklärte, ermögliche ein unter dem Vorwand der (selbst fabrizierten) Energiekrise erlassenes “LNG-Beschleunigungsgesetz” das Aushebeln von Umweltstandards. Die Verbände kündigten an, sie würden nun “weitere rechtliche Schritte prüfen”. Welche das sein werden, sagten sie nicht.
Das größte europäische Gasfeld stellt die Förderung ein
Unterdessen klagt die Gemeinde Binz ebenfalls gegen den Betrieb der Pipeline.
Bereits im vergangenen Sommer hatte Binz die Pläne kritisiert und erklärt, man sei “nicht bereit, die mit dem Vorhaben einhergehenden irreparablen Schäden der Ostsee und ihrer Küste hinzunehmen”. Binz wäre als unmittelbarer Nachbar des LNG-Terminals besonders betroffen. Die Gemeinde rügte überdies einen “intransparenten Finanzierungshintergrund”.
“Intransparenter Finanzierungshintergrund”
Das Umweltamt Vorpommern hatte ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt und vor gut zwei Wochen den Regelbetrieb der Anlage durch die Betreiberfirma ReGas genehmigt. Die bereits im vergangenen Jahr von der Gemeinde Binz erhobenen Vorwürfe wurden dabei nicht weiter geprüft. Diese hatte damals Anzeige gegen ReGas erstattet, weil sie Anhaltspunkte für Geldwäsche sah.
Die Staatsanwaltschaft Rostock hatte sich allerdings geweigert, den Vorwürfen gegen das Unternehmen nachzugehen. Stattdessen erwirkte ReGas eine Verfügung, die es dem Rechtsanwalt der Gemeinde untersagte, weiterhin zu behaupten, ReGas-Gründer Ingo Wagner habe Geld aus einem Fonds von den Cayman-Inseln, einer sogenannten Steueroase, in das Terminal gepumpt.
Frankreich inzwischen Hauptabnehmer von russischem Flüssiggas
So musste die Gemeinde eine entsprechende Pressemitteilung vom Juli 2023 unter der Überschrift “Intransparenter Finanzierungshintergrund” löschen. Gegenüber dem NDR bekräftigten damals der Anwalt und der Binzer Bürgermeister jedoch ihre Auffassung etwas dezenter: Die Deutsche ReGas weise “nicht die gesetzlich geforderte Zuverlässigkeit für den Betrieb einer gefährlichen Störfallanlage” auf.
Milliardengarantie für “Blackbox”
Kurz zuvor hatte das Handelsblatt über ein “verzweigtes Netzwerk hinter Deutsche ReGas” berichtet. “Kaum eine Firma ist so geheimnisumwoben”, merkte das Blatt an. ReGas sei “für viele Akteure eine Blackbox”.
Demnach zählen zu den Beteiligten am Newcomer ReGas unter anderem die 1937 gegründete niederländische Reederei Anthony Veder Shipping, die 29 Gas- und Chemikalientanker betreibt, sowie die Opus Holding mit einem global verzweigten Netz nicht nur im Bereich Energie, sondern auch Immobilien, Vermögensverwaltung, Fondsmanagement, Touristik und Lebensmittel. Weitere ReGas-Beteiligte seien darauf spezialisiert, LNG-Projekte anzukurbeln.
Mit der Firma “Grundwerte Verwaltungs GmbH” sei im Jahr 2021 definitiv eine ReGas-Komplementärgesellschaft von den Cayman-Inseln nach Bruchsal in Deutschland umgezogen, berichtete das Handelsblatt . Diese Firma habe demnach der ReGas-Geschäftsführer Ingo Wagner im Jahr 2018 in jener Steueroase gegründet.
LNG-Terminal Rügen: Vorläufiger Baustopp
Das Bundeswirtschaftsministerium sicherte daraufhin im August 2023 auf CDU-Anfrage zu, die “Eignung und Zuverlässigkeit” des Unternehmens ReGas unter die Lupe zu nehmen, wozu auch dessen Finanzen gehörten. Passiert ist offensichtlich aber nicht besonders viel. Keine drei Monate später schob die Regierung das LNG-Terminal mit einer Milliardengarantie an.
Umweltfrevel für Profit
In den letzten paar Jahren schüttelte so manch ein Bundesbürger über vieles, was die deutsche Politik so trieb, den Kopf. Das preistreiberische Energiemissmanagement war ein Aufreger unter vielen: die absurde Sanktionspolitik gegen Deutschlands bis dahin größten und günstigsten Energielieferanten Russland, die mutmaßlich absichtliche Nichtaufklärung des Anschlags auf Nordstream und die daraus resultierende Explosion der Energiekosten, worunter die Bevölkerung, insbesondere der ärmere Teil, bis heute leidet.
Doch vielleicht war das alles gar kein Missmanagement aus Dummheit, wie einige womöglich vermutet haben. Vielleicht war es knallhartes Kalkül, um Profite für auserwählte Konzerne und Finanziers zu mehren und ihre Flüsse entsprechend umzuleiten. Ist der Profit nur hoch genug, scheut das Kapital kein Verbrechen unter der Sonne, so formulierte es Karl Marx sinngemäß schon vor mehr als 150 Jahren.
So betrachtet verwundert es wenig, wenn Politik und Justiz wie in diesem Fall genauso dezent über Umweltfrevel hinwegblicken wie über die fortschreitende Verarmung eines Teils der Bevölkerung. “Klimaschutz” und Schuldenbremse gelten wieder einmal nur für die “kleinen Leute”.
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