Meinung Kissinger bringt Realismus in die Ukraine-Debatte – und bestätigt eine “Verschwörungstheorie”
Vielmehr plädiert Dugin für eine kluge Kombination von Traditionalismus und sozialer Gerechtigkeit. Russland müsse sich von der westlichen Moderne lösen und wieder seine eigene, russische Tradition erforschen: etwa die Slawophilen, das Denken Dostojewskis oder das orthodoxe Christentum. Dugin wendet sich gleichermaßen gegen Liberalismus, Globalismus, Dogmatismus, Kommunismus und Faschismus, deren Ursprünge er allesamt im Westen verortet.
Im letzten Dekret des russischen Präsidenten über die traditionellen Werte sei als wichtigster Aspekt die Vorherrschaft des Geistes über die Materie bezeichnet worden. In diesem Sinne müsse man sich von der “wirtschaftlichen Besessenheit” lösen. “Das ist der einzige Weg zur Genesung der Wirtschaft.”
Multipolarität
Dugin sieht – wie viele andere Beobachter der Gegenwart – eine multipolare Welt im Entstehen.
“Der Westen benimmt sich aber so, als würde er noch immer in der bipolaren Welt des Kalten Krieges leben und sieht Russland als den Erben der Sowjetunion an, der bekämpft werden muss. Das bipolare Weltbild wird also durch eine Art Trägheit fortgesetzt. Momentan entsteht eine Multipolarität, ein anderes System. Es geht nicht mehr um den Kampf der einen Ideologie gegen die andere, um den einen Pol gegen den anderen.”
Der Westen wolle jedoch die sich herausbildende Multipolarität nicht akzeptieren, weil diese das Ende des unipolaren Systems bedeute. Russland, so Dugin, kämpfe im Ukraine-Krieg auch für die anderen Pole der sich anbahnenden neuen Weltordnung. Der Westen müsse lernen hinzunehmen, dass er künftig bloß eine Provinz in einem multipolaren System darstellen werde – und nicht mehr den Mittelpunkt einer unipolaren Welt. Dugin wendet sich gegen westlichen Universalismus und tritt für die Vielfalt koexistierender Kulturen und Zivilisationen ein.