Nach Deutschland bereitet sich nun auch Österreich auf Inlandseinsätze des Heeres vor. Wie das Nachrichtenmagazin Der Standard berichtet, übten die Soldaten des Bundesheeres in den vergangen zwei Wochen bei der “Ausbildungsübung Eisenerz 2022” den Einsatz bei politischen Kundgebungen in Österreich. Auch das “Scharfschießen im freien Gelände” oder der “Angriff aus der Bewegung” wurden im Rahmen des Manövers geübt, an dem unter anderem Soldaten des österreichischen Jägerbataillons, der Militärpolizei sowie der Luftstreitkräfte teilnahmen. Fürchten Europas Staats- und Regierungschefs etwa Aufstände?
Es sind Bilder, wie man sie von den Anfängen der massiven Protestwelle in Sri Lanka kennt: Bewaffnete Soldaten greifen bei einer Kundgebung ein und ringen die Protestteilnehmer mit massivem Körpereinsatz zu Boden. Doch sind es eben nicht die Impressionen von aus der Ferne aufgenommenen TV-Bildern eines Aufstands in einem Krisengebiet fernab, sondern Szenen aus Österreich, die in den sozialen Medien kürzlich für Aufregung sorgten. Denn für den Einsatz auf Demonstrationen ist in Österreich, ähnlich wie in Deutschland, eigentlich und grundsätzlich nur die Polizei zuständig.
Was die Österreicher in Unruhe versetzte, waren Bilder und Videos einer Übung des Bundesheeres. Dieses hatte in der österreichischen Steiermark militärische Fertigkeiten trainiert – und eben auch den Einsatz auf politischen Kundgebungen. Geübt wurde den Berichten zufolge aber angeblich doch nur für den Auslandseinsatz. “Bei unseren stärksten Kontingenten im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina haben wir solche Einsätze ununterbrochen”, versicherte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dem Standard. Dort käme es regelmäßig zu großen Kundgebungen, auf denen heimische Soldaten auch schon schwer verletzt worden seien, erklärte der Sprecher. Ein Einsatz auf einer Demonstration bei unseren österreichischen Nachbarn sei dagegen aktuell kein realistisches Szenario. Beschwichtigungen, wie man sie zu ähnlichen Übungen in Deutschland ebenfalls kennt.
Müssen auch auf Inlandseinsätze vorbereitet sein
Aus Sicht des Verteidigungsministeriums bestehe allerdings auch die Notwendigkeit, so der Sprecher weiter, auf “Assistenzeinsätze” bei Demonstrationen oder anderen Vorfällen vorbereitet zu sein. Zwar sei ein Kontrollverlust der für die Innere Sicherheit Österreichs zuständigen Polizei derzeit nicht absehbar. Jedoch würden die Grenzen zwischen Armee-Einsätzen im Äußeren und Inneren auch in Österreich zunehmend verschwimmen, sagte Generalmajor Günter Hofbauer, Sicherheitsexperte des österreichischen Bundesheeres, dem Standard. Demnach sei es bei der Landesverteidigung angesichts hybrider Bedrohungen – verschiedener Formen der illegitimen Einflussnahme durch fremde Staaten, zu denen etwa Cyberattacken oder terroristische Anschläge gehören – “nicht immer” möglich, auf Einsätze im Inneren zu verzichten. Deshalb gewinne der Inlandseinsatz auch zunehmend an Bedeutung.
Laut Hofbauer käme hinzu, dass es in Europa infolge der Corona-Pandemie und der sich anbahnenden Energiekrise zunehmend zu gesellschaftlichen Verwerfungen komme. “Wenn sich Krisen am Rande der EU verschärfen”, so der Generalmajor, “kann das jedenfalls auch Auswirkungen in Österreich haben.” Mit seinen Äußerungen spielte Hofbauer offenbar auf die Befürchtung der europäischen Staats- und Regierungschefs an, dass es angesichts eines möglichen Lieferstopps von russischem Gas nach Europa zu Aufständen innerhalb der Bevölkerung infolge sozialer Verwerfungen kommen könnte – wie schon in Sri Lanka.
Der Inselstaat südlich von Indien sieht sich seit mehreren Wochen mit der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1948 konfrontiert. Infolge dieser Krise verloren große Teile der zuvor zur Mittelklasse aufstrebenden Gesellschaftsschichten ihre Existenzgrundlage. Der Handel brach zusammen. Und auch der Strom fällt regelmäßig aus. Inzwischen müssen die Menschen tagelang an den Tankstellen anstehen, um Benzin oder Dieselkraftstoff zu erhalten. Gas zum Kochen und Medikamente fehlen. Und auch die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen, was zu einer Hungerkrise auf der Insel führte. Dem stark verschuldeten Land fehlt schlicht und einfach das Geld, um wichtige Güter zu importieren. Soziale Unruhen aufgrund gesellschaftlicher Verwerfungen und beispiellose Massenproteste, die zur Flucht der ehemaligen Regierung führten, waren die Folge.
Einsatz des Militärs im Inneren: Wie ist die Rechtslage in Österreich?
Zuständig für die Sicherheit im Inneren ist in Österreich die Polizei. Wie in Deutschland obliegt der Armee dagegen die militärische Landesverteidigung – gegen einen Aggressor im Ausland. So legt das auch die österreichische Bundesverfassung fest. Das Gesetz regelt dabei aber auch Ausnahmen, die es der österreichischen Bundesregierung von Bundeskanzler Karl Nehammer ermöglichen, das Heer ebenso im Inneren des Landes einzusetzen – und zwar im Rahmen eines Assistenzeinsatzes, wie dies aktuell schon zur Bewachung ausländischer Botschaften in Österreich oder bei Grenzkontrollen der Fall ist.