Geschlossene Firmen und Gaststätten, Auftrittsverbote für Künstler, mickriges Kurzarbeitergeld: Der Corona-Lockdown hat so manchen Bundesbürger gelehrt, mit Hartz IV über die Runden zu kommen. Mehr als fünf Millionen Menschen sind aktuell darauf angewiesen. Sie müssen sich wohlverhalten, andernfalls wird der immer weiter hinter der Teuerung herhinkende Regelsatz gekürzt. Doch kaum hat der Bundestag beschlossen, Hartz-IV-Sanktionen von mehr als zehn Prozent für ein Jahr auszusetzen, schießt ein Teil der Medien und Politiker dagegen. Armenbashing ist wieder einmal angesagt.
Armenbashing und Spalterei
So ließ etwa der Focus einen angeblichen Hartz-IV-Bezieher beteuern, der Regelsatz für Alleinstehende von 449 Euro monatlich zuzüglich einer Mietbeilhilfe sei “eigentlich zu viel”. Das Blatt lässt ihn sodann Tipps geben, wie man sparen könne: Strickjacken tragen statt heizen, Wasser für das Drei-Minuten-Ei im Wasserkocher erwärmen, nur noch zweimal die Woche duschen und so weiter. Einige Betroffene dürften die Ausführungen an das “Hartz-IV-Kochbuch” des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin im Jahr 2008 erinnern.
Der Münchner Merkur spielt beschäftigte gegen arbeitslose Lohnabhängige mit der Fleißkeule aus. “Wer fleißig ist, ist künftig der Dumme”, titelte er und wetterte gegen das Aussetzen einiger Kürzungen: Es könne nicht sein, dass nicht bestraft werde, wer künftig ein Jobangebot ablehne oder eine Maßnahme abbreche. Das Blatt zitierte auch eine Jobcenter-Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht nennen wollte, mit den Worten:
“Das ist eine Katastrophe, wenn sie künftig Jobs annehmen oder Auflagen erfüllen sollen, tanzen uns die Hartz-IV-Empfänger auf dem Kopf herum.”
Das Magazin Cicero baute noch eine ausländerfeindliche Komponente ein. So sei das Aussetzen der Sanktionen laut dem ehemaligen Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heinrich Alt, “besonders gegenüber Migranten ein verheerendes Signal”. Damit werde “den ausländischen Mitbürgern signalisiert: Ihr kriegt euer Geld ohne jede Verpflichtung”. Das kolportiert nicht nur das Klischee vom “faulen Ausländer”, der nur deutsche Sozialleistungen abgreifen wolle, und spielt so deutsche gegen ausländische Betroffene aus. Es liest sich, überspitzt gesagt, wie eine Drohung: Ihr sollt gehorchen oder in eurer Heimat hungern.