Noam Chomsky hat das Problem, dem wir ausgesetzt sind, auf einen prägnanten Punkt gebracht:
“Der schlaueste Weg, Menschen passiv und gehorsam zu halten, ist, das Spektrum an akzeptabler Meinung streng zu beschränken, aber eine sehr lebhafte Debatte innerhalb dieses Spektrums zu ermöglichen – sogar die kritischeren und die Ansichten der Dissidenten zu fördern. Das gibt den Menschen ein Gefühl, dass es ein freies Denken gibt, während die Voraussetzungen des Systems durch die Grenzen der Diskussion gestärkt werden.”
Tatsächlich sind wir mittendrin in diesem Dilemma. Denn auch kritische Köpfe beginnen ihre Argumentation meist nach folgendem Muster:
“Natürlich war Corona eine gefährliche Krankheit, aber …”
“Ich bezweifle nicht, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt, aber …”
Oder:
“Selbstverständlich handelt es sich um einen brutalen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine, aber …”
Mit solchen und ähnlichen Formulierungen beginnt die Schere im Kopf, ihre Arbeit zu verrichten. Bestimmte Prämissen zweifeln selbst die progressiven und fortschrittlichen Menschen einfach nicht mehr an.
Dabei sollte uns bewusst sein, dass die Narrative alles andere als in Stein gemeißelt sind. Nehmen wir doch die genannten Eingangssätze und erwidern etwa:
“Wie gefährlich Corona war, ist nach wie vor kaum erforscht. Es deutet aber vieles darauf hin, dass insbesondere ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen wirklich gefährdet waren. Die Behauptung, es handele sich um eine weltweite und für alle Menschen tödliche Krankheit, muss hinterfragt werden.”
Und:
“Es gibt zahlreiche Stimmen, denen man eine hohe Kompetenz zusprechen kann, die nicht davon ausgehen, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Viele Daten, die teils sehr weit zurückreichen – etwa Eisbohrkerne – und die auch andere Schlüsse zulassen als die weit verbreitet geäußerten, sollten genau analysiert werden.”
Und:
“Man kann aus völkerrechtlicher Sicht den Einmarsch der Russen in die Ukraine auch als Verteidigungsmaßnahme bezeichnen, da erstens der Donbass seit 2014 durch die West-Ukraine massiv angegriffen wurde, und zweitens, weil aus Moskau über viele Jahre die vehemente Bitte vorgetragen wurde, für die Ukraine eine für alle Beteiligten zufriedenstellende friedliche Lösung zu finden. Diese Hintergründe sollten in die Gesamtbewertung einfließen.”
Dank der wiederholten Erzählungen bestimmter Prämissen sind diese beschriebenen Perspektiven faktisch nicht zugelassen, verboten auch nur gedacht, geschweige denn ausgesprochen zu werden. Unterstellt wird so etwas wie die absolute Wahrheit, die indiskutabel ist. Man darf sich zwar – getreu dem Gedanken von Noam Chomsky – über bestimmte Dinge kritisch austauschen, doch die Debatte beginnt nicht bei null, sondern ein paar Stufen darüber. Dadurch entsteht ein Denkverbot von gewissen Richtungen und Anschauungsversuchen, das die gesamte Diskussion vergiftet.
Es ist noch schlimmer
Nun sind wir aber längst an einem Punkt, an dem das Spektrum akzeptabler Meinungen immer weiter eingeschränkt wird. Womöglich sind wir über das Niveau hinaus, das Chomsky meinte, denn insbesondere am Streit um den Ukraine-Krieg lässt sich ablesen, dass das Spektrum unterschiedlicher Meinungen in erheblichem Maße eingeschränkt wurde.