Quelle: www.globallookpress.com © Cao Yang Der russische Präsident Wladimir Putin empfängt den chinesischen Außenpolitiker Wang Yi in Moskau
Von Gert Ewen Ungar
Die Ukraine entscheidet selbst, wann sie in Verhandlungen mit Russland eintreten möchte, war bisher das Mantra der deutschen Politik. Diese Zusicherung gerät nun plötzlich in den Hintergrund, denn die Ukraine zeigt sich gegenüber Chinas Friedensinitiative nicht grundsätzlich abgeneigt. Ob es sich dabei um aufrichtiges Interesse an Frieden oder – wie bereits bei Minsk 2 – lediglich um eine diplomatische Finte handelt, wird sich zeigen. Schon jetzt ist jedoch klar, Politik und Medien in Deutschland weisen die chinesische Initiative zurück. Von der Autonomie der Ukraine, für sich selbst entscheiden zu können, ist keine Rede mehr. Dabei hätte es nach all den Bekenntnissen zur Souveränität der Ukraine eigentlich heißen müssen, wenn die Ukraine bereit ist, mit China in Verhandlungen einzutreten, unterstützen wir sie darin selbstverständlich genauso uneingeschränkt wie in ihrem militärischen Bemühen.
Das Papier war kaum veröffentlicht, da wurden China unlautere Absichten unterstellt. Es diene nur eigenen Interessen, meint beispielsweise Marie von Mallinckrodt, ARD -Korrespondentin in Peking. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland wusste sogar schon vor der Veröffentlichung des konkreten Plans, dass der Vorschlag Chinas wenig vertrauensvoll ist.
Bei Lanz kommt CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen zu Wort, der sich sicher ist, mit Frieden habe der Vorschlag Chinas nichts zu tun. China wolle nur sein Image aufbessern, glaubt der CDU-Hardliner. Dabei hat das Land das gar nicht nötig, denn Chinas Image ist außerhalb des kollektiven Westens deutlich besser als das Deutschlands, wie die Misserfolge der deutschen Chefdiplomatin im Ausland belegen. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Anton Hofreiter, hält die chinesische Friedensinitiative gar für ein Ablenkungsmanöver und behauptet faktenwidrig, Putin habe gesagt, Ziel sei die Eroberung der Ukraine. Allein schon die Tatsache, dass diese Falschbehauptung unwidersprochen blieb, zeigt, dass es um den deutschen Journalismus nicht gut steht. Wenn es ins Narrativ passt, darf auch gelogen werden.
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Die deutsche Außenministerin hat im Vorfeld der UN-Abstimmung zur Ukraine-Resolution deutlich gemacht, dass das Ziel eine vollständige Kapitulation Russlands sein muss. Sie besteht weiterhin auf einen Sieg der Ukraine über Russland und lehnt Gespräche ab. Deutschland wurde für die Waffenlieferungen kritisiert. Auch Baerbock reagierte mit der unwahren Behauptung, wenn die Ukraine aufhören würde zu kämpfen, würde sie aufhören zu existieren.
Mit dieser Haltung erfährt sie viel Unterstützung, vorwiegend im Milieu der Grünen, aber auch der Linken. Mit ihrem Beharren auf Waffenlieferungen und einer militärischen Lösung verleiht Baerbock damit einem in Deutschland herrschenden Geist Ausdruck, der hinter den Gründungsgedanken der Vereinten Nationen zurückfällt. Es besteht nämlich nicht nur ein Gewaltverbot, sondern eine Verpflichtung zum Erhalt und der Herstellung des Friedens auf allen Ebenen. Deutschland verweigert sich mit seinem Bekenntnis zum Militarismus diesem Grundgedanken und zieht den Konflikt auf Kosten der Ukraine in die Länge. Es geht darum, Russland möglichst umfassend zu schaden, die Ukraine ist lediglich Mittel zum bösen Zweck.
Die deutsche Haltung ist unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten mehr als fragwürdig. Die Ablehnung von Verhandlungen, verbunden mit dem Ziel, einen militärischen Sieg über Russland erreichen zu wollen, bedeutet einen Rückfall in die Zeit vor 1945, in der Deutschland versuchte, Europa militärisch eine neue Ordnung aufzuzwingen. Die Gründung der UN geht auf die Folgen genau dieses deutschen Denkens zurück und setzt auf Vermittlung und diplomatische Anstrengung, um der Geißel des Krieges ein Ende zu setzen.
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Vor diesem Hintergrund ist gerade die deutsche Verweigerung gegenüber Verhandlungen und der diplomatischen Suche nach einer Lösung geschichtsvergessen. Das Streben nach militärischen Siegen unter Ausschluss von Verhandlungen war für Europa und die Welt verheerend. Um dies künftig zu verhindern, wurden die Vereinten Nationen geschaffen, in deren Zentrum das diplomatische Bemühen nach Konfliktlösungen steht. Deutsche Politik und Teile der deutschen Öffentlichkeit lehnen den Grundgedanken, der der Gründung der Vereinten Nationen zugrunde lag, inzwischen offen ab: keine Verhandlungen, lasst die Waffen sprechen.
Man wird anführen, diese Sicht sei verkürzt, denn der Überfall Russlands auf die Ukraine stelle einen Bruch des Völkerrechts dar, dem man mit der militärischen Stärkung der Ukraine begegnen müsse. Selbst wenn man sich dieser These anschließt und die russische Argumentation dazu zurückweist, wird man nicht umhin können, den Vorlauf zu betrachten. Dieser Vorlauf besteht seit 2008 aus einer Aneinanderreihung von Verstößen gegen das internationale Recht durch den Westen. Das Völkerrecht wurde in der Ukraine so lange gebeugt, bis es schließlich brach.
Entsprechend zielt der Vorschlag Chinas auf die vollständige Wiederherstellung des internationalen Rechts und dessen Einhaltung durch alle Länder. Er verdient daher Würdigung. Ja, die gewaltsame Verschiebung von Landesgrenzen verstößt gegen das Völkerrecht. Der chinesische Vorschlag kritisiert Russland. Allerdings sind auch die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, die Erhöhung der Sicherheit einzelner Staaten auf Kosten anderer Staaten, die Nichtumsetzung von Minsk 2 ebenfalls Verstöße gegen völkerrechtliche Vereinbarungen. Der Konflikt der Ukraine ist eine Eskalation der Verstöße gegen das Völkerrecht. Deutschland hat an dieser Entwicklung nicht nur als Garantiemacht im Rahmen von Minsk 2 erheblichen Anteil. Deutschland hielt an seinen machtpolitischen Bestrebungen fest und glaubte sie durch eine leise und sukzessive Sabotage internationaler Regeln und Verträge erreichen zu können.
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Der Konflikt ist aber gleichzeitig auch ein Beleg dafür, dass die Beachtung der UN-Charta den Frieden wahrt. Hätten die USA, die EU, die NATO und Deutschland sich an die Charta der UN gehalten, wäre der Konflikt in seiner jetzigen Form nicht denkbar gewesen. Aus diesem Grund ist die Rückkehr zum internationalen Recht dringend geboten.
Der ganze Vorlauf zum 24. Februar stellt Deutschland in ein besonders schlechtes Licht. Deutschland hat das Völkerrecht beschädigt – nicht nur in der Ukraine, dort aber in besonderem Ausmaß. An den Diskussionen, die in Deutschland geführt werden, lässt sich zeigen, dass Politik, Medien und weite Teilen der deutschen Gesellschaft das Vökerrecht nur dann als relevant und maßgebend anführen, wenn es ihnen in den politischen Kram passt. Für Deutschland und viele Deutsche hat das Völkerrecht nur partielle Gültigkeit. Es wird auf den Status eines rhetorischen Mittels herabgewürdigt, das man in einem Schlagabtausch nutzen kann, und das man so seines universellen Charakters beraubt.
Es wird nicht nur mit zweierlei, sondern mit je nach Situation beliebigem Maß gemessen. Die Besetzung des Nordosten Syriens durch die USA, die Annexion eines Landstreifens in Nordsyrien durch die Türkei, das Bombardement von Damaskus durch Israel, die eigenen, dem Völkerrecht zuwiderlaufende Sanktionspolitik – all das wird unter den Teppich gekehrt und relativiert. Aus diesem Grund fällt es schwer, die deutschen Bekenntnisse zum Völkerrecht, zur Charta der UN und den internationalen Verträgen ernst zu nehmen. Wer deutsche Außenpolitik verfolgt, weiß, dass die deutsche Politik regelmäßig das internationale Recht bricht und seine machtpolitischen Interessen darüber stellt.
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Diese Instrumentalisierung des Völkerrechts durch westliche Staaten und Deutschland schafft ein globales Sicherheitsproblem, das im Interesse der globalen Sicherheit und Stabilität korrigiert werden muss. Chinas Initiative ist daher zu begrüßen. Sie ist auch deshalb zu begrüßen, weil mit der unmittelbaren Ablehnung der Initiative deutlich wird, wie wenig sich Deutschland den Werten einer auf Gleichheit basierenden internationalen Staatengemeinschaft und ihren Rechtsnormen verpflichtet fühlt.
Die UN-Charta fordert das Bemühen um Frieden und das aktive Bemühen um Vermeidung von Krieg. Die Politik der Bundesregierung steht in ihrem Handeln diametral zur Charta und nicht nicht nur für den Geist des Kalten Krieges, wie China den Westen kritisiert. Es ist tragischer und bedrohlicher: die Bundesregierung und große Teile der deutschen Öffentlichkeit stehen in der Tradition des Geistes des deutschen Militarismus und Imperialismus. Deutschland wiederholt damit die Fehler, die zu den großen Kriegen auf europäischem Boden geführt haben.
Deutschland fühlt sich legitimiert, sich auf unterschiedlichen Ebenen in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen. Das umfasst die Förderung von NGOs mit einer westlichen liberalen Agenda im Ausland und geht, wie in Syrien und gegenüber Russland bis zur Verhängung von Sanktionen, mit dem Ziel, die Zivilbevölkerung zu treffen. Es reicht sogar bis hin zur Lieferung von Waffen in Krisengebiete, um dort Konflikte zu verlängern und Geopolitik im westlichen Interesse auf Kosten der Menschen brutal umzusetzen, wie das aktuell in der Ukraine geschieht.
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Aus diesem Grund ist der Glaube vieler Deutscher falsch, dieses Mal auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Mit seiner militärischen Unterstützung der Ukraine zeigt Deutschland im Gegenteil, dass es aus der eigenen Geschichte nichts gelernt hat und in einer Art Zwang begangene Fehler wiederholt, in der Annahme, dieses Mal ein anderes, adäquates Ergebnis erzielen zu können. Es herrscht in Deutschland erneut genau derselbe Geist und dieselbe verheerende militärische Logik, die schon zwei Mal zur Zerstörung Europas geführt hat. Wir ergeben uns nicht – Verhandlungen ausgeschlossen!
Deutschland fällt in die militärische Logik zurück, die zur Gründung der UN geführt hat. Das ist angesichts der deutschen Geschichte nicht nur eine Schande, denn die Wiederholung der eigenen geschichtlichen Fehler deutet noch in eine andere Richtung. Unter ethischen Gesichtspunkten verkörpert Deutschland mit seiner Ukraine-Politik und seiner Geschichtsvergessenheit das reine Böse – Deutschland ist soziopathisch. Es fühlt sich auch dann im Recht, wenn es großes Unrecht begeht, es ist unfähig zur Empathie. Es gibt keine Einfühlung, weder in die russische Position noch in das, was Deutschland der Ukraine antut. Es geht um Sieg, um Überlegenheit, um die Demütigung des anderen, auch wenn das Ergebnis absehbar verheerende Folgen für die Welt mit sich bringt.
Aus diesem Grund ist der chinesischen Initiative viel Erfolg zu wünschen. Es ist zu hoffen, dass am Ende eines sicherlich langen diplomatischen Prozesses eine weltweite Sicherheitsarchitektur Form annimmt, in der auch im ethischen Sinne böse Länder wie Deutschland zwar ihren Platz haben, sie aber in ihrem Streben nach Dominanz und Macht eingehegt werden, sodass dauerhafter Friede unter gleichberechtigten und souveränen Staaten möglich ist.
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