Meinung

Das NATO-Kriegs-Orchester – Die Süddeutsche Zeitung und der Iwan

Das NATO-Kriegs-Orchester – Die Süddeutsche Zeitung und der Iwan

Quelle: www.globallookpress.com © Jan WoitasSymbolbild

Von Uli Gellermann

Man gibt diese Überschrift – “Russische Geheimdienste inszenieren Demos im Westen” – der Süddeutschen Zeitung in die übliche Suchmaschine und bekommt unter dem aktuellen Datum nahezu identische Headlines von der Nordseezeitung, vom Sender NTV, von ProSieben, von t-online.de, vom SRF Schweizer Radio und Fernsehen, vom Weser-Kurier und der FAZ. Wer diese orchestrierte Kampagne für Zufall hält oder für demokratische Pressevielfalt oder gar Pressefreiheit, der hält auch Frau Baerbock für brillant oder Herrn Habeck für einen Heizungspumpen-Ingenieur.

Das Parfum einer gewissen Bildung

Die “Süddeutsche” (SZ) gilt als Leitmedium und verströmt das Parfum einer gewissen Bildung: Wer sie unter dem Arm trägt, hält sich für einen Intellektuellen. Das Blatt hat eine verkaufte Auflage von 283.759 Exemplaren und erreicht nach der Boulevardzeitung Bild die zweithöchste Auflage der deutschen Tageszeitungen. Sie gehört der Südwestdeutschen Medien Holding GmbH und ist im Familienbesitz. Zum 1. Januar 1994 übernahm Thomas Schaub mit 32 Jahren die Geschäftsführung des Verlagsunternehmens von seinem Vater Dieter Schaub. Die Generation ERBEN ist angetreten.

Text seiner Glaubens-Struktur

Mainstream empört sich über Schröder, Gauland und Krenz wegen Empfang in russischer Botschaft

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Der Artikel beginnt mit dem schönen Wort “offenbar”. Ein Wort, das nur offenbart, dass die Autoren nichts Beweisbares offenbaren können. Es wird im Wechsel mit dem Wort “soll” dem Text seine Glaubens-Struktur geben. Die Leser sollen die Behauptungen der SZ glauben: Der Behauptung, dass “russische Geheimdienste Kundgebungen in Europa unterwandern”. Wenn die “Behauptungsworte” “offenbar” oder “sollen” nicht ausreichen, wird ausgerechnet Michael Chodorkowski als Quelle angegeben: Ein Profiteur durch Raub des russischen Volksvermögens wird zum Kronzeugen gegen Russland.

Schwindlig vom Behauptungskarussell

Manchmal wird den Autoren vom eigenen Behauptungskarussell schwindlig, und sie legen den juristischen Sicherheitsgurt an:

“Die Echtheit (der Informationen) lässt sich von dritter Seite nicht hundertprozentig prüfen.”

Um wenigstens auf zwei, drei echte Prozente zu kommen, lässt man eine anonyme Recherchegruppe aus der SZ, dem NDR und dem WDR auftreten und “Spuren verfolgen”. Wohin die Spuren führen, woher sie kommen, das mögen die “Rechercheure” ihren Lesern nicht anvertrauen. Stattdessen werden anonyme Links aufgeführt, die zu irgendwelchen “Demonstrationen” führen sollen.

Dünne “Behauptungssuppe”

Wenn die anonymen Rechercheure und ihre anonymen Links nicht reichen, lässt die SZ “geleakte Dokumente” auftreten, von denen die SZ weder sagen will, wer sie geleakt hat, noch wo das Leck entstanden sein soll. Weil die “Behauptungssuppe” dünn bis zur Durchsichtigkeit geraten ist, rührt die SZ schnell noch die französischen Proteste gegen die Rentenreform rein. Die seien “für einige Personen die Kulisse für Inszenierungen in russischer Regie”.

Pensionsberechtigte Legendenschnitzer

Wer hat Angst vor der sowjetischen Fahne in Berlin?

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Schnell schiebt die SZ-Gruppe die seit den 50er-Jahren bewährte Legende von der Finanzierung aus dem Osten hinterher: Die Aktionen der “Taschengeld-Agenten” seien “bewusst klein und billig”. Das kann man von den pensionsberechtigten Legendenschnitzern der SZ, dem NDR und dem WDR nicht sagen. Billig sind nur deren Zeugen, so wie der anonyme “Mitarbeiter einer deutschen Sicherheitsbehörde”. Dessen zitierten Satz: “Wir kennen das” haben die Redakteure beim Frühstück in der Betriebskantine erfunden. Selbst dieser frei erfundene Satz wird mit dem Wort “angeblich” garniert, wenn der “Mitarbeiter einer deutschen Sicherheitsbehörde” über Feiern zum kurdischen Neujahrsfest schwadroniert und hinzufügt: “Russische Agitatoren unter den rund 30.000 Teilnehmern seien aber nicht aufgefallen”.

Beim Klittern schwitzen

Es fällt allerdings auf, dass die sprachlichen Verrenkungen bei den Propaganda-Artikeln immer mühsamer dargeboten werden. Die Branche schwitzt beim Klittern derart stark, dass die Lügen aus den Zeilen stinken. Natürlich kann es auch der Angstschweiß sein, der die Schreiber heimsucht. Denn sie ahnen, dass sie auf verlorenem Posten stehen: Alle bekannten Umfragen stellen ein gesunkenes Vertrauen in die Medien fest.

Wann der Iwan kommt, wer weiß?

“Wann der Iwan kommt, wer weiß, wer weiß”, sang ein Gassenhauer aus den 1950er-Jahren und drückte eine durch Propaganda erzeugte Grundangst der Deutschen aus. Es ist diese seit der Nazi-Zeit verbreitete Angst, mit deren Albträumen Medien wie die SZ den Krieg gegen Russland vorbereiten und begleiten. Der damals heftig und dauernd angekündigte “Iwan” kam bis heute nicht.

Fear sells

“Fear sells” (Angst verkauft) ist der aktuelle Slogan eines Marketings, das der NATO und den Rüstungskonzernen nützt und die Kriegsgefahr erhöht. Angst ist für alle, die nicht am Krieg verdienen, ein schlechter Berater. Die vernünftige Antwort auf “fear sells” kann nur lauten “until you stop buying it” (bis man es nicht mehr kauft).

Zuerst veröffentlicht auf der Medienplattform RATIONALGALERIE am 9. Mai 2023.

Uli Gellermann ist Filmemacher und Journalist. Seine Erfahrungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern begründen seine Medienkritik. Er ist Herausgeber der Internetseite rationalgalerie.de.

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