Meinung “Letzte Generation”: Klima der Angst(störung)
Ihr seht all das nicht, und das ist einerseits der Luxus der Jugend, weil sie eben Jugend ist. Jugend ist egoistisch, pubertär, zuweilen auch verwöhnt bis in die Haarspitzen. Das unterstelle ich euch nicht kollektiv, aber ohne Zweifel solltet ihr euch ein paar mehr Gedanken machen, statt die Kohleproduktion in einem Dorf, das es nicht mehr gibt, zu eurem Lebensmittelpunkt zu machen.
Ganz unabhängig von der alles andere als trivialen Frage, ob die Energieversorgung mittel- und langfristig allein durch erneuerbare Energien sichergestellt werden kann (eine Diskussion, die euch vielleicht auch interessieren könnte oder sollte), lege ich euch nahe, euch zu fragen, wie wichtig der Politik eure Anliegen wirklich sind. Wenn sie euch mit euren Ängsten, Forderungen und Wünschen wirklich ernst nehmen würde, hätte sie den Ukraine-Konflikt längst mit diplomatischen Mitteln beendet und versucht, zu Russland eine Beziehung aufzubauen, innerhalb derer Gas mindestens als Übergang eine Rolle spielt, um die Klimaziele zu erreichen.
Ich fordere jetzt also mal etwas von euch: Setzt euch nicht nur mit CO₂-Werten und Temperaturen auseinander, sondern auch mit der Frage, wie sehr der Ukraine-Krieg (und alle anderen Kriege) den Klimanotwendigkeiten entgegensteht. Ihr kommt an diesem Thema einfach nicht vorbei, auch wenn ihr denkt – zumindest habe ich da so ein Gefühl –, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun.
Die Geopolitik des Westens pfeift auf euch! Sie führt euch am Nasenring durch die Manege, während ihr mit Baggermatsch spielt und glaubt, es ginge um euer Leben. Ihr werdet auch in einem, zwei oder zehn Jahren noch atmen, die Frage ist nur, ob ihr euch die Luft noch werdet leisten können.
Ich bitte euch inständig: Begreift endlich, dass die politischen Entscheidungen, mit denen wir es zu tun haben, sich nicht nur auf das Weltklima auswirken, sondern auch auf das gesellschaftliche Klima, und dass es von diesem abhängt, ob wir eine Zukunft haben. Eure Angst vor dem Klimaschock kann ich euch nicht nehmen, aber wenn ihr nicht versteht, dass ein heißer Krieg, der in eine atomare Katastrophe führen kann, das viel akutere Problem ist, ist euch wirklich nicht zu helfen.
Wenn ihr glaubwürdig sein wollt, müsst ihr die größte und radikalste Friedensbewegung werden, die es seit dem Kalten Krieg gegeben hat. Die Forderung nach Klimaschutz ist ohne die gleichzeitige Forderung nach Frieden nicht mehr als eine Laune, die am weiteren Verlauf der Dinge nichts, aber auch gar nichts, ändern wird.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Moderator und Mitherausgeber des Blogs “ neulandrebellen “.
Source