Ein Gruppe spielender ukrainischer Kinder soll von einem “Russisch sprechenden Mann” verbal attackiert worden sein. Dieser hätte dann im Verlauf des Disputs mutwillig einen Zehnjährigen von der Brücke gestoßen. Die weiteren polizeilichen Ermittlungen ergaben nun, dass der weiterhin Unbekannte das Kind doch nicht – wie behauptet – über das Brückengeländer ins Wasser geworfen hat.
Die widersprüchliche Darstellung nach der polizeilichen Anzeige des Ereignises am 26. August in Einbeck (Landkreis Northeim in Südniedersachsen) sorgte in den Medien sofort für plakative Überschriften. So lauteten erste Überschriften zu dem Vorfall ziemlich unisono:
- Berliner Kurier: “Unfassbar brutale Tat – Einbeck: Mann wirft ukrainischen Jungen (10) von Brücke”
- Hannoversche Allgemeine: “Russischsprachiger Mann wirft in Einbeck ukrainischen Jungen von Brücke”
- Süddeutsche Zeitung: “Unbekannter soll Zehnjährigen über Brückengeländer geworfen haben”
- RTL: “Täter auf der Flucht: Mann wirft Junge (10) von einer Brücke! Weil er ukrainisch spricht?”
Nach der Berichterstattung im Berliner Kurier hielt sich der vermeintliche Täter laut dem Bericht der Staatsanwaltschaft Einbeck “mit mehreren Kindern aus der Ukraine an einer Brücke auf”. Der unbekannte Täter soll sich “auf Russisch darüber beschwert haben, dass die Kinder Ukrainisch sprachen”. Er habe sie demnach auch noch auf aufgefordert, ebenfalls, “Russisch zu sprechen”. Den Ermittlungen zufolge soll er zudem gesagt haben, “dass die Ukraine den Krieg angefangen” habe, so die Behauptungen in dem Artikels. Die Webseite Northeim Jetzt informierte seine Leser mit der Information:
“Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Göttingen wegen versuchten Totschlags und sucht gemeinsam mit der Polizei nach Zeugen.”
Wenige Tage später zeigen die Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaft Göttingen ein völlig anderes Bild. So heißt es nun in der Mitteilung vom 8. September:
“Wende im Fall einer angeblichen Straftat zum Nachteil eines 10-jährigen ukrainischen Jungen. Nachdem weitere Zeugen vernommen wurden, ist davon auszugehen, dass der Junge sich zunächst beim Spielen am Kanal einen Fuß an einer Scherbe oder einem anderen scharfen Gegenstand aufgeschnitten hatte. Zu einem späteren Zeitpunkt kam es offenbar zu einem Streit zwischen dem 10-Jährigen und einem Mann, der in Begleitung [von] einer Frau und drei Kindern gewesen sein soll.”