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Bürgergeld kürzen, Arbeitsdienst einführen: Amthor wirbt für CDU-Plan

Bürgergeld kürzen, Arbeitsdienst einführen: Amthor wirbt für CDU-Plan

Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/www.imago-images.deAmthor im August 2022 in Greifswald

Von Susan Bonath

Arbeitslose, aufstockende Geringverdiener und ihre Kinder sind aus kapitalistischer Sicht “nutzlose Esser”. Das einst von SPD und Grünen eingeführte Hartz IV, heute Bürgergeld, reicht kaum zum Überleben. Sanktionen zwingen Betroffene in den Niedriglohnsektor. Heute fordern vor allem Politiker der CDU, CSU, FDP und AfD regelmäßig weitere Schikanen.

Diesmal preschte der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor vor: In einem Interview mit dem Stadtradio Göttingen warb der 30-Jährige dafür, trotz hoher Inflation das Bürgergeld zu kürzen – um einen allgemeinen, ehrenamtlichen Arbeitsdienst zu finanzieren.

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CDU: Bürgergeld kürzen, Arbeitsdienst einführen

Der Grund für die Idee ist demnach eine Forderung, auf die sich die CDU im vergangenen September auf ihrem Bundesparteitag in Hannover geeinigt hatte: Jeder Bürger solle dazu verpflichtet werden, am besten gleich nach der Schule ein ehrenamtliches “Gesellschaftsjahr” zu absolvieren. Mit anderen Worten: Die CDU will einen einjährigen unbezahlten Arbeitsdienst für alle einführen.

Wie Jungpolitiker Amthor in dem Gespräch erläuterte, müsse die Politik dazu jedoch das Grundgesetz ändern. Andernfalls scheitere so eine Dienstpflicht womöglich vor Gericht. Dieses regelt nämlich in Artikel 12, dass jeder Bürger in Deutschland seinen Beruf frei wählen darf und Zwangsarbeit verboten ist. Für eine Änderung des Grundgesetzes ist im Normalfall eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament erforderlich.

Um einen solchen Arbeitsdienst durchsetzen zu können, bräuchte es einen bürokratischen Apparat. Verhungern sollen arme Verpflichtete nun auch nicht. Der Bund müsse dafür also, laut Amthor, “eine Menge Geld” locker machen, dies aber “nicht zuerst bei den Bürgern”. Bürgergeld-Bezieher gehören für Amthor offensichtlich nicht zu dieser Gruppe. Denn aus diesem Topf, bei dem er “Maß und Mitte halten” wolle, will die CDU für den Arbeitsdienst die “Mittel freimachen” und “umschichten”.

Neoliberale Nutzenoptimierung und “soziale Evolution”

Dahinter steckt mal wieder das neoliberale Menschenbild: Wer nicht mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren wurde, soll seinen wirtschaftlichen Nutzen auf dem Arbeitsmarkt auf Gedeih und Verderb stets und ständig optimieren. Zu viel Sozialhilfe fördere “Faulheit”. Und “faul” ist danach jeder, der zu wenig für den Markt arbeitet. So ein Fauler wäre dann, wie es etwa der rechte “Libertäre” Markus Krall in seinem Buch “Die bürgerliche Revolution” ausdrückt, ein Fall für die “soziale Evolution”.

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Kralls “soziale Evolution” ist nicht nur in der sogenannten “Dritten Welt” bittere Realität. Im Reich der Supermacht USA wachsen die Armen-Ghettos am Rande der Großstädte. Armut sei dort inzwischen die vierthäufigste Todesursache, berichtete jüngst das Ärzteblatt. Die derzeit in Großbritannien explodierende Armut ist nicht nur unmittelbare Folge der Krise des westlichen Kapitalismus, sondern fußt bereits auf der neoliberalen Politik in den 1980ern, mit der die damalige Premierministerin Margaret Thatcher, auch genannt “die eiserne Lady”, eine Schneise der sozialen Verwüstung auf der Insel hinterließ.

Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni plant derzeit, die ohnehin knappe Sozialhilfe, die erst 2019 eingeführt worden war, wieder einzustampfen, um “Geld zu sparen”. Ab kommendem Jahr sollen demnach bedürftige Italiener kein Bargeld mehr erhalten. Lediglich Behinderten, Alten und Haushalten mit Kindern stünde dann ein sogenannter “Inklusionsscheck” zu – begrenzt auf 18 Monate. Zugleich will Meloni Arbeitnehmerrechte abbauen. Die schlimmsten Ausbeuter reiben sich wohl schon die Hände.

Erziehung zum “nach unten treten”

Auch in Deutschland haben Vorschläge für diese Art “soziale Evolution” Tradition. Man kann nur froh sein, dass bisher nicht alles davon umgesetzt wurde. Erst letztes Jahr wollte etwa die AfD im Bundestag durchsetzen, das Bürgergeld, also das Existenzminimum, nur gegen Arbeitsdienst auszuzahlen. Der CDU-Wirtschaftsrat schloss sich eins zu eins der AfD-Forderung an. Die FDP sträubt sich derzeit gegen eine Kindergrundsicherung, um die wachsende Armut durch und von Kindern abzumildern.

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Bereits im Jahr 2008 forderte der heutige CDU-Chef Friedrich Merz, die Hartz-IV-Sätze auf 132 EUR pro Monat einzustampfen. Im selben Jahr brachte der damalige SPD-Politiker Thilo Sarrazin ein Kochbuch für Hartz-IV-Bezieher heraus, um Betroffenen zynisch zu vermitteln, wie sie für 4,25 EUR am Tag essen sollen. Die Grünen-Politikerin Claudia Hämmerling wollte 2010 Arbeitslose zum Aufsammeln von Hundekot verpflichten, während CDU-Mann Roland Koch für eine Arbeitspflicht trommelte.

Die Reihe solcher Vorschläge von wohlhabenden Politikern zur Nutzenoptimierung der Armen ließe sich seitenlang fortsetzen. Den tatsächlichen gesellschaftlichen Nutzen ihrer eigenen, steuerfinanzierten Tätigkeit beleuchten sie dabei freilich niemals kritisch. Es wäre ja auch blöd für sie, wenn die Lohnabhängigen plötzlich auf die Idee kämen, gemeinsam den Blick nach oben zu richten, statt nach unten zu treten.

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