Eigentlich war die Sache durch. Doch nun hat die NZZ noch einmal übel nachgetreten und nicht nur die mutige Politologin angegriffen, sondern auch die Universität Bonn wegen einer Erklärung, die auf Ulrike Guérot gemünzt ist, heftig gerügt. Denn die Distanzierung der Universität von Guérot ging der vermeintlich liberalen Schweizer Zeitung nicht weit genug. Dabei ist der NZZ-Kommentar geradezu prototypisch für den westlich-transatlantischen, heuchlerischen Umgang mit dissidenten Stimmen: Es bleibe zwar, heißt es darin jovial, Guérots “gutes Recht”, ihre “Ansichten” zu äußern, und die NZZ gesteht ihren Lesern sogar zu, davon zu halten, “was man will”. Soll man ernstlich dafür dankbar sein? Denn tatsächlich ist es nicht weit her mit der demonstrativen Offenheit. Anspruch, Selbstbild und gesellschaftliche Realität, hier die der Presse- und Meinungsfreiheit, klaffen weiter denn je auseinander. Keiner der beflissenen Mainstream-Kommentatoren hat sich auf die Seite Guérots geschlagen. Alle waren darum bemüht, den Meinungskorridor knalleng und auf NATO-Linie zu halten. Nebenbei: Von der Blockfreiheit der Schweiz, gar von Neutralität ist bei der NZZ auch nichts mehr zu spüren.
Spielen wir den Fall einfach mal mit umgekehrten Vorzeichen durch: Wäre Ulrike Guérot sowohl in Sachen Corona als auch zum Ukraine-Krieg auf Linie geblieben, keiner ihrer ach so um wissenschaftliche Standards besorgten Kritiker wäre auf die Idee gekommen, an Zitaten und fehlenden Nachweisen in den Büchern Guérots herumzumäkeln (die Wissenschaftlerin hat diese Fehler notabene inzwischen eingestanden). Und sicher hätte es keine Pressemitteilung der Universität gegeben.