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Mit anderen Worten: Das WEF plant, jene bisherigen demokratischen Organisationsformen, in denen die Macht im Staat vom Volk mittels gewählter Vertreter ausgehen soll, durch ein Herrschaftssystem zu ersetzen, in dem dann nur noch eine Gruppe von “Stakeholdern”, also “führenden Persönlichkeiten”, ein globales Entscheidungsgremium bildet. Positiv gesehen, wäre das eine Herrschaft der Weisen, wer auch immer das sein mag. Kritisch gesehen, bedeutet es eine plutokratische Diktatur in einer (wortwörtlich) grenzenlosen, übernationalen Welt. Eine selbsternannte “Elite” würde also die Macht übernehmen und eine Art Weltregierung bilden. Insofern stellt sich das WEF als eine außerordentlich einflussreiche quasimafiöse Organisation dar, die eine Machtübernahme nicht demokratisch legitimierter “Führungspersönlichkeiten” in globalem Ausmaß anstrebt und auch vorbereitet. Zur Durchsetzung der Programmatik können dann Phasen globaler Instabilität genutzt werden, zum Beispiel die Corona-Pandemie, Hungersnöte oder die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Der Kommunikationsforscher und Autor Nick Buxton, der sich eingehend mit den Absichten des WEF befasst hat, kommt zu dem Ergebnis, “dass wir zunehmend in eine Welt eintreten, in der Zusammenkünfte wie Davos keine lächerlichen Milliardärsspielplätze sind, sondern die Zukunft der Global Governance”. Es sei “nichts weniger als ein stiller Staatsstreich”.
Besonders deutlich werden Zielsetzung und die Macht des WEF, wenn man sieht, wer sich in welcher Weise am WEF beteiligt. Es sind etwa 1.000 Mitgliedsunternehmen mit einem Umsatz von jeweils über 5 Milliarden US-Dollar, darunter die wichtigsten Unternehmen ihrer Branche, die auch politisch eine Rolle spielen. Die Basis-Mitgliedsgebühr beträgt 42.000 Schweizer Franken sowie eine Gebühr von 18.000 Schweizer Franken für die Teilnahme des jeweiligen Präsidenten am Jahrestreffen. Mitglieder aus der Industrie und strategische Partner bezahlen 250.000 Schweizer Franken bzw. 500.000 Schweizer Franken, um maßgeblich an den Initiativen des Forums mitwirken zu können. Strategische Partner sind zum Beispiel BlackRock, die Gates Foundation, Goldman Sachs, Google, The Coca Cola Company, Allianz, Bank of America, BP (samt früherer American Oil Company), Credit Suisse, Deutsche Bank, Deutsche Post DHL, Facebook, der Pharmakonzern Johnson & Johnson, Mastercard, Mitsubishi Corporation, PayPal, SAP, Saudi Aramco, Siemens oder auch der Medienkonzern Thomson Reuters.
1992 startete das WEF ein Programm für “Global Leaders of Tomorrow”, das seit 2004 “Young Global Leaders” heißt – zur Förderung geeigneter zukünftiger Führungskräfte. Dadurch entstand ein globales Netzwerk mit bedeutenden Führungskräften aus Politik, Wirtschaft, Medien, Kunst und Kultur, Adel und so weiter, die sich für die Pläne des WEF engagieren. In einem Interview renommierte dessen Gründer Klaus Schwab: “Worauf wir sehr stolz sind …, dass wir mit unsern Young Global Leaders in die Kabinette eindringen”. Auf diese Weise nimmt das WEF weltweit Einfluss auf das öffentliche Leben.
Bereits am ersten Programm 1992 nahmen später sehr bekannt gewordene Persönlichkeiten teil wie Angela Merkel, Tony Blair, Nicolas Sarkozy, Manuel Barroso oder Bill Gates. In den folgenden Jahren kamen Hunderte hinzu, die nach und nach wichtige Positionen einnahmen: Emmanuel Macron, David Cameron, Sebastian Kurz, Annalena Baerbock, Mark Zuckerberg (Gründer von Facebook), Jacinda Ardern (Premierministerin von Neuseeland), Sanna Marin (Ministerpräsidentin von Finnland), Ida Auken (Ex-Umweltministerin von Dänemark), Kronprinz Haakon von Norwegen, Larry Page (Mitgründer von Google), Leonardo DiCaprio (Schauspieler), Niklas Zennström (Mitentwickler von Skype) und Jimmy Wales (Mitgründer von Wikipedia).
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Im Jahre 2019 wandten sich mehr als 400 zivilgesellschaftliche Organisationen und 40 internationale Netzwerke gegen ein Partnerschaftsabkommen zwischen dem WEF und den Vereinten Nationen. Der UN-Generalsekretär wurde aufgefordert, das Abkommen zu beenden, da es eine “beunruhigende unternehmerische Vereinnahmung” der UN sei, die “die Welt gefährlich in Richtung einer privatisierten und undemokratischen Global Governance” bewege.
Die US-amerikanische Journalistin Diana Johnstone hält das WEF für eine “Kombination aus kapitalistischer Beratungsfirma und gigantischer Lobby”, konzentriert auf “digitale Innovation, massive Automatisierung durch ‘Künstliche Intelligenz’ und schließlich sogar auf die ‘Verbesserung’ des Menschen, indem sie ihn künstlich mit einigen Eigenschaften von Robotern ausstatten: z. B. Problemlösung ohne ethische Ablenkungen”. Sie warnt vor der “Stimme der Möchtegern-Global Governance” und schreibt: “Von oben entscheiden Experten, was die Massen wollen sollen, und verdrehen die angeblichen Wünsche des Volkes, damit sie in die Profitschemata passen, mit denen sie hausieren gehen.”
Im Jahre 2021 meldete sich der ehemalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, zu Wort und kritisierte, dass Menschen wie Klaus Schwab “auf dem Thron ihres Reichtums” säßen und von den alltäglichen Schwierigkeiten und Leiden der Menschen durch die Corona-Pandemie nicht berührt würden. Vielmehr sähen sie in solchen Krisen eine Chance, ihre Programmatik eines meritokratischen globalen “Great Reset” mit zunehmender Kontrolle über die Gesellschaft durchzusetzen. Müller kritisierte eine Unterstützung unter anderem aus Bereichen des Transhumanismus. Ihm wurde Antisemitismus entgegengehalten.
Klaus Schwab und der französische Ökonom und “Globalstratege” Thierry Malleret schrieben in ihrem 2020 gemeinsam veröffentlichten Bestseller “Der große Umbruch” (englisch “The Great Reset”) zu den Intentionen des WEF: “Es geht darum, die Welt weniger gespalten, weniger verschmutzend, weniger zerstörerisch, integrativer, gerechter und fairer zu machen, als wir sie in der Zeit vor der Pandemie hinter uns gelassen haben.” Es könne zu Veränderungen kommen, “die vor dem Ausbruch der Pandemie unvorstellbar schienen”, es werde eine “neue Normalität” (S. 293) geben.
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In einem Interview vom 19. November 2020 nach seinen Vorstellungen für den beabsichtigten “globalen Neuanfang” befragt, antwortete Schwab: “Ich finde das Wort ‘Reset’ passend … Denn eines ist klar: Wir können nicht zur alten Normalität zurückkehren.” Hinsichtlich der Bekämpfung der Corona-Pandemie vertrat er die Ansicht: “Was wir also in unserer Welt brauchen, ist ein verstärkt systemischer Ansatz, … eine Reform des internationalen Systems.”
Die Phase der Corona-Pandemie wird demnach als Epochenwechsel angesehen, mit dem sich die Verhältnisse in der Welt entsprechend der dargestellten Agenda des WEF grundlegend ändern sollen. Wie das nach einer Beendigung des Ukraine-Krieges geschehen soll, bleibt abzuwarten. Inzwischen sind die Staaten völlig verschuldet, Wirtschaft und Finanzen sind zerrüttet, und viele Menschen wissen nicht ein noch aus, sodass die Vorstellungen der Sachwalter des Weltwirtschaftsforums zunehmend an Gewicht gewinnen – ganz einerlei, ob es den “großen Krieg” geben wird oder nicht.
Das optimal vernetzte WEF zielt auf eine globalisierte, privatrechtliche, also nicht demokratisch gesteuerte Weltordnung. Die Vorstellungen gehen nach Meinung informierter Kreise in Richtung einer umfassenden Digitalisierung, Zentralisierung und Überwachung. Diese Planungen gilt es zu verhindern und den Blick auf humane, angemessenere Formen des menschlichen Zusammenlebens zu richten.
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