Meinung Wolfgang Bittner: Widerstand gegen die aktuelle Politik als Überlebenschance für Deutschland
Die politische und mediale Kommunikation mit Hinblick auf das Vorgehen der eigenen Regierung bietet Ihnen nur die Vase an. Sie weiß um die beiden Gesichter, verheimlicht Ihnen diese Tatsache aber. Mit Hinblick auf den Kriegsgegner ist es um Einiges schlimmer. Auch hier wird Ihnen eine unvollständige, in der Regel manipulierte Wirklichkeit angeboten. Und sie engt Ihren Blick mehr ein, als dass sie ihn weiten würde. Mehr als Ihre geweiteten Augen, wenn Sie sich einem Gewehrlauf gegenübersehen, kommt nicht in Betracht. Der Rest ist verengte Wahrnehmung, die ausblendet, was Sie von Ihren fremd aufgebauten Überzeugungen abbringen könnte. So werden die Menschen auf den Krieg vorbereitet, es ist eine Kombination aus Weglassen, Selektieren und Lügen.
Wenn ein gewisser Punkt erreicht ist, nimmt die Notwendigkeit der Propaganda ab. Sie begleitet Sie eine Weile als Krücke, als Mahnmal, das Ihnen immer wieder in Erinnerung ruft, worauf es ankommt. Parallel dazu nimmt die Skrupellosigkeit der Kriegstreiber zu. Sie verharmlosen – um bei aktuellen Geschehnissen zu bleiben – etwa Uranmunition und betrachten Angriffe auf russischen Boden als unproblematisch. Sie können beginnen, das genaue Gegenteil dessen zu sagen, was noch kurze Zeit vorher ihre Überzeugungen waren, siehe insbesondere die Grünen. Sogar die selbst herbeigeführte Eskalation und somit gesteigerte Kriegsgefahr können Sie als unwesentliche Randnotiz abtun, die meisten Menschen sind an diesem Punkt nicht mehr in der Verfassung, den Ernst der Lage zu erkennen.
Wir sind an diesem extrem gefährlichen Punkt angekommen. Es gibt kaum noch Taten der Politik, die nicht irgendwie durch weite Teile der Bevölkerung gerechtfertigt würden. Durch die wiederholte Indoktrination des äußeren Feindbildes ist die individuelle Wahrnehmung gestört, durch die Verengung der Gedanken und die Fixierung auf die unvollständigen Erzählungen ist für ein Für und Wider kein Platz mehr. Differenziertes Denken ist der pauschalen Bewertung stereotyper Einordnungen gewichen.
Es müsste nicht passieren!
Doch das ist nicht alles. Es wäre zu einfach, die scheinbar perfekt orchestrierte Propaganda allein verantwortlich zu machen für die Möglichkeit, Krieg zu führen. Schließlich nimmt der Mensch für sich in Anspruch, ein autarkes, selbst denkendes und handelndes Wesen zu sein. Er wird auch nicht müde, diese Eigenständigkeit bei jeder sich bietenden (oder auch nicht bietenden) Gelegenheit zu erwähnen, zu betonen und – wenn es sein muss – zur Untermauerung kräftig mit den Füßen zu stampfen.
Aus dieser Eigenständigkeit entsteht aber nicht nur das Recht auf ebendiese, sondern auch die Verpflichtung, sie sich in Erinnerung zu rufen, wenn es einmal unbequem wird. Daran hapert es jedoch. Denn wenn es unbequem wird, neigen viele Menschen erst recht zur Bequemlichkeit. Sie argumentieren nicht, sondern lassen argumentieren, sie handeln nicht, sondern lassen handeln, und sie denken nicht, sondern lassen denken.
Es ist diese intellektuelle Passivität, die den Ersten und den Zweiten Weltkrieg möglich gemacht hat. Auf falsche Feindbilder und absurde Erzählungen hereinzufallen, ist das eine. Dies jedoch allzu sorglos einfach anzuerkennen, das andere. Wer in der Lage ist, sich von einer flächendeckenden Begeisterung anstecken zu lassen, hat offenbar eine gewisse Energie in sich, die ja sogar so weit geht, für fremdbestimmte Überzeugungen in den Krieg zu ziehen. Aber Begeisterung, die angenommen wird wie der Köder, den ein durch Instinkte gesteuerter Fisch in seinem Maul verschwinden lässt, um am Haken zu enden, kann nicht mehr als Begeisterung bezeichnet werden. Sie muss als bequeme Form der Gedankenlosigkeit betrachtet werden.
Für diese Bequemlichkeit und die Weigerung, die Rechtmäßigkeit der vorgestellten Begeisterung in Frage zu stellen, ist der Mensch, das Individuum, der selbst denkende und handelnde Bürger selbst verantwortlich. Wenn er später einmal sagen wird, er habe von nichts gewusst, hat er sich diese Ausrede schon zurechtgelegt, als er noch die Wahl hatte und sehr wohl wusste, dass etwas nicht stimmt. Denn es gibt noch eine dritte Möglichkeit, mit der oben genannten optischen Täuschung umzugehen. Neben Option 1, bei der man von beiden Interpretationen des Bildes weiß, und Option 2, bei der man von nur einem, dem aktuell zu sehenden Motiv ausgeht, gibt es die Option 3: nämlich das Bild aus eigenem Antrieb anzuschauen und zu überprüfen.
Dieser eigene Antrieb fehlt in weiten Teilen der Bevölkerung. Sie hat sich mit der Option, die man ihr anbietet, arrangiert. Der Wille aber, diese Option in Frage zu stellen, kann nur vom Menschen selbst kommen. Weder der Staat noch die Medien noch Institutionen oder prominente Persönlichkeiten bieten hier einen Ausweg an. Im besten Fall führen Gespräche mit anderen dazu, mit der angebotenen Option zu hadern und sie zu hinterfragen. Doch auch das ist nur erfolgversprechend, wenn der innere Antrieb vorhanden ist, sich auf den unbequemen Pfad zu begeben.
Meinung Ukraine: Die isolierte Erzählung
Es ist ein gefährliches Gemisch aus Bequemlichkeit, Faulheit und Unwissenheit, das dazu führt, zunächst willfährig ge- und später verführt zu werden, bis hin zur Akzeptanz dessen, was ganze Länder und Zivilisationen auslöschen kann. Die Konsequenz ist eine destruktive und womöglich tödliche Verantwortungslosigkeit, die die Menschen so sehr dominiert, dass sie selbst die Basis des Zusammenlebens, nämlich das Leben selbst, nicht mehr wertschätzen.
Wenn ein Volk erst so weit ist, das Leben nicht mehr zu achten und zu respektieren, wenn die Erzählungen erst dazu geführt haben, dass Desinteresse und Apathie das Denken bestimmen, wird es mit Leichtigkeit in den Krieg zu führen sein.
Das war im Ersten Weltkrieg so. Das war im Zweiten Weltkrieg so. Und das wird auch beim letzten Weltkrieg so sein.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen .
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