Meinung
Die irre westliche Boykottkultur nimmt eine ganze Nation ins Visier
Und “das größte dieser Netzwerke ist in Salzburg”. Festspiele, die vor über hundert Jahren von Max Reinhardt erdacht wurden, weil “das Theater nicht entbehrlicher Luxus für die oberen Zehntausend, vielmehr ein unentbehrliches Lebensmittel für die Allgemeinheit ist”, so Reinhardt in einem Brief. Brüggemann muss bemerkt haben, dass die Festspiele dieser Absicht nicht mehr entsprechen. Das allerdings stört ihn nicht. Übrigens ist die Donezker Oper ein gegenwärtiges Beispiel für diese Sicht auf Kultur. Sie stellte selbst unter schwerstem Beschuss im Sommer 2014 den Betrieb nicht ein. So, wie es auch die Leningrader Theater während der Belagerung nicht taten. Reinhardts Kulturverständnis ist augenblicklich in Europa, wenn überhaupt, nur noch in Russland am Leben.
Brüggemann kritisiert weder die Besetzung eines für das Volk erdachten Festivals durch die Reichen und Mächtigen, noch das Sponsoring an sich. Er stößt sich auch nicht an einem der Hauptsponsoren der Festspiele, der Kühne-Stiftung, ein Ableger der Spedition Kühne und Nagel. Eine Spedition, die im Jahr 1933 sich ihres jüdischen Teilhabers entledigte und später für die Wehrmacht arbeitete, aber auch viel Geld mit dem Transport der Möbel ermordeter Juden und anderer Raubwaren ins Reich verdiente. Deren Chef nach 1945 die Firma nur deshalb weiter leiten konnte, weil die CIA dafür sorgte, ihn trotzdem als “unbelastet” einzustufen, da er für die Organisation Gehlen arbeitete, aus der dann später der BND entstand.
Nein, Brüggemann verlangt vom Intendanten der Festspiele, Markus Hinterhäuser, auf jedes Sponsoring aus russischen Quellen zu verzichten. Obwohl keine davon zu den Hauptsponsoren zählt.
Übrigens führten die Nazis heftige Auseinandersetzungen um diese Festspiele, ehe sie sie durch den Einmarsch in Österreich im Jahr 1938 in Besitz nahmen. Der Dirigent Wilhelm Furtwängler und der Komponist Richard Strauss, beide den Nazis durchaus gewogen, erhielten im Jahr 1934 Briefe folgenden Inhalts:
“Herr Reichsminister Dr. Goebbels hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, dass dies [die beabsichtigte Teilnahme an den Festspielen] der Politik des Führers Österreich gegenüber zuwiderlaufe und daß er sie bittet, von einer Mitwirkung bei den Salzburger Festspielen im politischen Interesse abzusehen.”
Ähnlichkeiten mit aktuellen Begebenheiten und lebenden Personen sind rein zufällig.
Nur eines muss ich doch noch erwähnen. Im Anschluss an diesen Wortbeitrag, das kann man in der Aufzeichnung noch hören, wurde ausgerechnet ein Stück von Hanns Eisler gespielt. So erfreulich es ist, wenn die Musik dieses großen Komponisten, der im Westen Deutschlands nicht nur während der Nazizeit, sondern auch danach ein Vierteljahrhundert lang nicht gespielt wurde, weil er Kommunist war, in einer Rundfunksendung auftaucht, möchte man sich nicht vorstellen, wie Eisler darauf reagiert hätte, nach einem solchen Beitrag gespielt zu werden. Eisler, dessen Gespräche mit Hans Bunge eines der klügsten Bücher sind, das ich kenne, dessen Scharfzüngigkeit legendär war, hätte vermutlich eine längere Tirade über Dummheit im Journalismus vom Stapel gelassen.
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