Ermittler erheben schwere Vorwürfe gegen Polizei: Unzählige Fehler kosteten Oury Jalloh das Leben
Anzeige wegen Mordverdachts
Im Ergebnis habe die dreijährige Recherche ihres Teams ergeben, ergänzte Sprecherin Nadine Saeed, “dass mindestens vier Polizeibeamte der damaligen Nachtschicht Hans-Jürgen Rose mit Tritten und Schlägen, vor allem mit Schlagstöcken, misshandelten und folterten und ihn dann, gegen 4.30 Uhr am 7. Dezember 1997, vor einem Wohnhaus etwa 200 Meter vom Polizeirevier entfernt im T-Shirt abgelegt haben, offenbar in der Absicht, das Opfer dort sterben zu lassen”.
Daher habe ihr Team zusammen mit den Hinterbliebenen und einem Rechtsanwalt am 28. März Strafanzeige gegen vier involvierte Beamte gestellt, in deren Obhut Hans-Jürgen Rose unmittelbar vor seinem Auffinden gewesen war, so Saeed weiter. Der Vorwurf darin laute: Verdacht des Mordes durch Staatsbedienstete – ein Verbrechen, das nicht verjährt.
Recherchen der Autorin
Bereits im Jahr 2018 hatte die Autorin dieses Beitrages eine eigene Recherche zum Fall Rose unter anderem bei RT DE veröffentlicht, die sich mit der Darstellung des Recherchezentrums weitgehend deckt.
Der Artikel von damals beschreibt den Hergang nach Aktenlage, die vielen Widersprüche darin und die massiven Verletzungen des Opfers, die bei der Obduktion festgestellt wurden, darunter gerissene Organe sowie Rippen- und Wirbelbrüche. Dies führte zu schweren inneren Blutungen, einer Querschnittslähmung und schließlich zum Versterben von Rose im Krankenhaus am Tag nach seinem Auffinden.
Zwei weitere ungeklärte Todesfälle
Der Fall Rose kam im Zuge der Ermittlungen zum Feuertod des Flüchtlings Oury Jalloh an die Öffentlichkeit. Jalloh verbrannte im Januar 2005 im gleichen Polizeirevier bis zur Unkenntlichkeit. Von der Staatsanwaltschaft beauftragte Gutachter hatten 2016 eine Selbstentzündung ausgeschlossen. Im Jahr 2017 wandte sich der damals Leitende Oberstaatsanwalt in Dessau, Folker Bittmann, mit einem Vermerk an den Generalbundesanwalt. Darin begründete er einen dringenden Mordverdacht gegen zwei Polizeibeamte.
Als mögliches Motiv nannte Bittmann darin unter anderem die mutmaßliche Absicht, zwei weitere Todesfälle im Dessauer Polizeirevier “unterm Deckel” zu halten: Hans-Jürgen Rose (1997) und Mario Bichtemann, der im Oktober 2002 in einer Zelle an einem Schädelbruch verstorben war. Die Familie von Oury Jalloh hatte damals gemeinsam mit ihren Anwältinnen die Herausgabe der zugehörigen Akten erwirkt.
Vertuscht und politisch blockiert
Die Recherchen der Autorin legen ebenfalls nahe, dass bei den Fällen Rose und Jalloh offenbar eine mutmaßliche gewaltsame Tötung durch Polizeibeamte vertuscht werden sollte. Im Fall Bichtemann handelt es sich demnach mindestens um verweigerte medizinische Hilfe, also ein Unterlassen, das unweigerlich zum Versterben des in Gewahrsam Genommenen führte. Alle drei Opfer waren zum Zeitpunkt ihres gewaltsamen Todes erst 36 Jahre alt.
Es gibt überdies zahlreiche Anhaltspunkte für politische Einflussnahme auf die Ermittlungen. Im Laufe der Recherche stieß die Autorin immer wieder an “Mauern des Schweigens. Die Blockadehaltung erstreckte sich über die Landesgrenzen von Sachsen-Anhalt hinaus – bis hinauf zur Bundesanwaltschaft und zum Bundesjustizministerium.
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