Ein zynisches Treiben mit unserem Schmerz und unserem Blut, das wir im Krieg gegen den Nationalsozialismus erfahren und vergossen haben, wurde die letzten Tage in Berlin getrieben. Ausgerechnet in der Hauptstadt des Landes, in dem der Nationalsozialismus geboren wurde, sich entwickelte und ausbreitete, ganz Europa infizierte und dabei Millionen von ebendiesen Europäern vernichtete. Tagelang haben deutsche Richter darüber beraten, ob Russen den Gefallenen mit einer russischen Fahne, einer sowjetischen Fahne und anderen Symbolen des Sieges die Ehre erweisen dürfen oder nicht.
Wir können natürlich in der üblichen europäischen Art spöttisch sagen: “Nun, wir verstehen, warum (übrigens, warum?) das passiert” … Wir können aber auch etwas tiefer graben.
Eine Woche vor dem Tag des Sieges veröffentlichte die nach Konrad Adenauer, einem der Architekten der EU, benannte Stiftung einen Artikel von Matthias Oppermann, in dem es heißt:
“Am 8. Mai 1945 wurde nicht nur ganz Europa, sondern wurden auch die Deutschen von der Tyrannei des Nationalsozialismus befreit. Auch die Sowjetunion beteiligte sich an der Befreiung, doch im Gegensatz zu ihren westlichen Verbündeten brachte sie nicht den Liberalismus, sondern einen neuen Totalitarismus mit.”
Das vier Jahre lang von kaltblütigem Mord, Folter, Verstümmelung gezeichnete sowjetische Volk, das zerstörte Land, die gefallenen Soldaten – all das großzügig verziehen. Der Verzicht auf Rache, die Wahrung jedes Volkes und jeder Nation, einschließlich der Deutschen, das ist, wie sich herausstellt, der “neue Totalitarismus, den die Rote Armee nach Europa brachte”.