Von Kirill Awerjanow
Am 11. Dezember abends hat sich Europas politische Landschaft verändert: Mateusz Morawiecki wurde als Polens Premierminister abgelöst – durch Donald Tusk. Dies ist ein Ergebnis des Misstrauensvotums im polnischen Parlament, dem Sejm, als nämlich 266 Abgeordnete gegen Morawiecki und nur 190 für ihn stimmten. Für Tusk als seinen Nachfolger aber stimmten 248 Abgeordnete, wobei in diesem Fall 225 notwendig waren, und nur gegen ihn 201. Damit ist der Sieg von Tusk ein durchaus überzeugender.
Auch die Hysterie der Verlierer überzeugt: Selbst gestandene Politiker waren fassungslos, als nach der polnischen Nationalhymne Jarosław Kaczyński als Gründer und Vorsitzender der nun oppositionellen Partei “Recht und Gerechtigkeit” (PiS) auf die Tribüne stieg und Donald Tusk öffentlich als “deutschen Agenten” bezeichnete. Damit wurde klar, dass die PiS-Partei unfähig ist, mit Würde eine Niederlage einzugestehen, und der Innenminister musste sich schließlich noch für Kaczyńskis Eskapade entschuldigen.
Tusk aber kündigte in seiner Rede an:
“Ab morgen werden wir in der Lage sein, unsere Fehler zu korrigieren, damit sich alle, auch die Schwächsten, in Polen zu Hause fühlen.”
Donald Tusk ist ein erfahrener Veteran der polnischen Politik, er war von 2007 bis 2014 bereits Premierminister Polens, dann von 2014 bis zum Jahr 2019 der Präsident des Europäischen Rates (der EU). Jetzt ist er der Vorsitzende des oppositionellen Bündnisses Bürgerkoalition, gebildet aus der liberal-konservativen Partei Bürgerplattform (PO), der linksliberalen Initiative Polen (iPL), den polnischen Grünen und einer ganzen Reihe kleinerer politischer Kräfte. Der Koalitionsvertrag wurde am 10. November unterzeichnen – und am 1. Dezember kündigte Tusk selbstbewusst an, dass er bald auf dem Stuhl des Premierministers sitzen werde.
Welchen Kurs die neue Regierung unter Tusk einschlagen wird, lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen – ausgehend vom jeweils wohlbekannten Werdegang von Tusk einerseits und Morawiecki andererseits.
Die PiS, die Polens politische Landschaft seit dem Jahr 2015 und bis jetzt beherrschte, predigte unverhohlene und offene Russophobie. Gerade unter diesen Politikern begann Polen, die Personalstärke seines Militärs in rasantem Tempo auszubauen und unterstützte das Kiewer Regime am lautesten im ganzen Westen – jedenfalls zu Beginn.
Im selben Maße wie Russland ist den Jüngern eines Morawiecki, Duda oder Kaczyński aber auch Deutschland verhasst. Nicht umsonst wurde die gesamte polnische Politik zuletzt immer stärker darauf fixiert, von Deutschland eine Entschädigung für die während des Zweiten Weltkrieges erlittenen Schäden zu fordern – obwohl dieses Thema schon vor langer Zeit abgeschlossen wurde.
Zutiefst unsympathisch ist der PiS-Partei auch die Europäische Union, und zwar auch in ihrer Struktur. Das PiS-geführte Polen brachte außenpolitisch stets auf alle erdenklichen Weisen zum Ausdruck, auch eine europäische Großmacht zu sein, die mitentscheiden werde, was zu tun und zu lassen sei.
In gewisser Weise waren diese Widersprüche zwischen Polen und Deutschland sowie Brüssel für Russland von Vorteil – mit einem geschickten Vorgehen könnten sie helfen, die EU von innen zu untergraben und einen Keil zwischen Brüssel und Warschau sowie zwischen Warschau und Berlin zu treiben.