Meinung

EU lobt “Erfolge” der Ukraine, doch in Wirklichkeit fallen diese mager aus

EU lobt "Erfolge" der Ukraine, doch in Wirklichkeit fallen diese mager aus

Quelle: AFP © Ludovic MarinDie Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, während der internationalen humanitären Konferenz für die Zivilbevölkerung in Gaza im Élysée-Palast in Paris, Frankreich, am 9. November 2023.

Von Rachel Marsden

Die Europäische Kommission hat kürzlich einen Bericht über jene Länder veröffentlicht, die der Europäischen Union beitreten möchten. Während die Türkei seit Jahren darauf wartet, in den Aufnahmeprozess der EU aufgenommen zu werden, steht Ankara aus geopolitischen Gründen in der Kritik und entfernt sich zunehmend von seinem ursprünglichen Beitrittswunsch. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist einfach nicht mehr bereit, nach der Musik aus Brüssel zu tanzen.

Währenddessen erntet die Ukraine im Bericht der EU Lob dafür, dass sie das politische Äquivalent erreicht hat, die einer Erziehung zum selbstständig aufs Töpfchen zu gehen gleichkommt – aber selbst dieser Erfolg ist umstritten. “Die Ukraine hat weit über 90 Prozent der notwendigen Schritte abgeschlossen, die wir vergangenes Jahr in unserem Bericht definiert haben”, sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Was soll das denn für eine zwielichtige Bewertung sein?

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Es gibt einen Begriff für das, was die EU hier tut. Man nennt es jemanden bei Laune halten – in diesem Fall mittels eines Lobs für Leistung. Die Ukraine und Länder wie Moldawien und Georgien wollen der EU beitreten. Aber die EU kann es sich kaum leisten, dies zuzulassen, insbesondere nicht, nachdem Deutschland und Frankreich – die Wirtschaftsmotoren der Union – mit den Rückschlägen gegen ihre Industrien zu kämpfen haben, wegen der antirussischen Sanktionen. Somit kann es die EU vergessen, sich dazu zu verpflichten, weitere Clown-Staaten in ihre Reihen aufzunehmen.

Aus diesem Grund erstellt die Europäische Kommission nun diese herablassenden Bewertungen über Staaten, in denen zum Beispiel gesagt wird, dass die Ukraine vier der sieben Voraussetzungen erfüllt habe – nicht für einen Beitritt zur Union, sondern für die bloße Aufnahme von Verhandlungen über einen Beitritt.

Laut Brüssel muss Kiew nach wie vor die Korruption im Land beseitigen. Vermutlich wird erwartet, dass sich die Ukraine an das Korruptionssystem im Rest der EU anpasst – was, seien wir ehrlich, eine ziemlich niedrige Hürde ist. Die Ukraine muss auch das System der Oligarchie loswerden, denn Europa kennt nur eine Oligarchie, und die heißt Ursula von der Leyen. Die Ukraine muss auch lernen, friedlich mit Minderheiten umzugehen und deren Grundrechte zu respektieren.

Aber was genau hat Kiew gemäß Brüssel bisher richtig gemacht? Es habe “ein transparentes Vorauswahlsystem für die Richter des Verfassungsgerichts eingeführt und die richterlichen Leitungsorgane reformiert”, heißt es in dem Bericht. Aber erst vergangenen Monat berichtete Reuters, dass Kiew aufgrund eines “riesigen personellen Engpasses” im Justizsystem und auf Druck der EU dabei ist, 2.000 zusätzliche Richter zu rekrutieren. Das klingt nicht danach, als ob die Situation in diesem Bereich in der Ukraine allzu stabil ist oder die vorherrschenden Probleme gelöst wären. Das sieht vielmehr danach aus, als ob hier jemand für eine Klausur büffelt, um sich darauf vorzubereiten, ein bestimmtes Kästchen bei einer Pflichtfrage anzukreuzen. 

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Zugegeben: In den vergangenen Monaten erlebte die Ukraine ein hartes Vorgehen gegen die grassierende Korruption, was auch von den Mainstream-Medien dokumentiert wurde. Dies umfasste auch die Entlassung des Vorsitzenden Richters des Obersten Gerichtshofs, aber angesichts der Tatsache, dass die Korruption im Land so weitverbreitet und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz äußerst gering ist, wird davon ausgegangen, dass das Vorgehen gegen die Korruption in den vergangenen Monaten eher zurückhaltend war. Und wo ist der konkrete Beweis dafür, dass die nachgerückten Protagonisten ein wesentlich besseres Verhalten an den Tag legen als ihre Vorgänger? Man müsste erwarten, dass die EU zumindest eine Verbesserung in der Stimmung innerhalb der ukrainischen Öffentlichkeit abwarten würde, bevor sie in dieser Frage Zensuren erteilt.

“Die Ukraine hat positive Schritte im Rahmen einer umfassenderen und systematischen Anstrengung unternommen, um den Einfluss der Oligarchen zu beschneiden”, heißt es im Bericht abschließend. Aber ist das wirklich das Ergebnis einer bewusst erfolgten Säuberung – oder ist es einfach gewissen Umständen geschuldet? Das Wilson Center hat detailliert beschrieben, welche Auswirkungen der Krieg auf die ukrainische Oligarchie hatte, nachdem die Industriekomplexe, die sich im Besitz der Oligarchen befanden, physisch zerstört wurden. Wie die französische Tageszeitung Le Monde berichtete, sind nicht wenige Oligarchen aus der Ukraine nach Südfrankreich geflohen. Zählt es für Brüssel als “Maßnahme, um die Macht der Oligarchen zu beschneiden”, wenn ukrainische Oligarchen mit ihren beträchtlichen Vermögen nach Europa fliehen?

Die Ukraine habe auch in Kriegszeiten ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, “Fortschritte bei der Annäherung an die Gesamtheit des gültigen EU-Rechts zu erzielen”, heißt es im Bericht der Kommission weiter. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit die jüngste Entscheidung des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij, die anstehenden Präsidentschaftswahlen abzusagen, mit den grundlegenden Erfordernissen des EU-Rechts und der demokratischen Standards im Einklang steht. Kein anderes Land, das der EU beitreten will, könnte anstehende Präsidentschaftswahlen ignorieren und gleichzeitig den sofortigen EU-Beitritt fordern – außer Selenskijs Ukraine. Für sie scheint ein anderer Maßstab zu gelten, wenn es um die Erwartungen der EU an einen Beitrittskandidaten geht.

Der gesamte Bericht der EU über die Ukraine ist zudem durchzogen von Randbemerkungen über und gegen Russland. Dies wirkt wie ein Versuch, Kiew von der Verantwortung für seine eigenen Fehler freizusprechen. Keine funktionierende Marktwirtschaft? Russland ist schuld. Als ob es nicht schon vor Ausbruch des Konflikts solche Probleme gegeben hätte, wie der Spitzenplatz Kiews auf der Korruptionsliste vermuten lässt. Probleme mit der Achtung der Grundrechte in der Ukraine? Lasst uns lieber über die “zahlreichen Verstöße der Grundrechte in Russland” reden. Was ist mit der Meinungsfreiheit? “Trotz des Kontexts eines umfassenden Krieges befindet sich die Ukraine im Bereich der Meinungsfreiheit nur in einem mäßigen Entwicklungsstadium”, heißt es im Bericht. Allerdings berichtete The Intercept im vergangenen Juni, dass sogar ukrainische Journalisten daran gehindert wurden, frei über den Krieg zu berichten, nachdem ihnen durch Regierungsbeamte die Akkreditierung entzogen wurde. Nicht, dass die EU selbst mit ihrem eigenen Hang zur Zensur in der Lage wäre, die Medienfreiheit eines anderen Landes zu beurteilen, während man selbst – unter dem Vorwand des Ukraine-Konflikts – Andersdenkende diffamiert und ein generelles Verbot der Verbreitung russischer Medien-Plattformen verhängt.

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“Vergangene Erweiterungen der EU haben enorme Vorteile sowohl für die Beitrittsländer als auch für die EU gebracht. Wir alle gewinnen”, verlautbarte Ursula von der Leyen. Aber wissen Sie, wer nicht gewinnt? Die Steuerzahler der EU-Staaten, die als Nettobeitragszahler dafür aufkommen müssen. Zudem ist es für die Eliten der EU wesentlich besser, diese Beitrittskandidaten am Haken zu behalten, den Beitritt niemals zu besiegeln, aber gleichzeitig deren Ressourcen auszubeuten, die trotzdem zur Verfügung stehen. Die Milch bekommen, ohne die Kuh kaufen zu müssen. Es ist somit immer noch kein Termin für eine Verlobung mit der EU in Sicht.

Ukrainische Offizielle zeigen eine fatale Anziehungskraft in Richtung Brüssel und reden ständig darüber, wie sehr sie sich bemühen, die EU zufriedenzustellen – was wohl ein Zeichen einer gesunden Beziehung ist – und wie sehr Brüssel Kiew braucht. “Unser Land sollte in der EU sein. Die Ukrainer verdienen dies für den Schutz europäischer Werte und für die Tatsache, dass wir selbst während eines umfassenden Krieges unser Wort halten, indem wir staatliche Institutionen reformieren”, sagte Selenskij.

Dennoch müsse die Ukraine weiter an sich arbeiten, heißt es in diesem demütigenden Bericht der EU. Wie lange noch? Wer weiß das schon. Die Beitrittsverhandlungen könnten am 12. Dezember beginnen, wenn die Staatschefs der EU dem einstimmig zustimmen. Was sie vielleicht nicht tun werden. Zumindest nicht, ohne zuvor zu versuchen, einige Zugeständnisse von Kiew zu erzwingen, wie Polen dies offenbar versucht, indem es die Exhumierung und Umbettung der in den 1940er-Jahren von ukrainischen Nazis getöteten Polen fordert.

Trotz all der Stolpersteine, die Kiew als störrische Braut auf dem Weg zum Traualtar mit Brüssel immer noch vor sich hat, besteht trotz der Rhetorik, die etwas anderes suggeriert, auch das Risiko, dass Polen und andere letztendlich Zugeständnisse von Brüssel einfordern, um nicht als jener Typ dazustehen, der bei der Hochzeit vortritt und gegen die Ehe protestiert. 

Und weil die Unterstützung und das Interesse Washingtons an der Ukraine nachlässt, angesichts des neu aufgeflammten Konflikts im Nahen Osten, könnte die EU die einzige Hoffnung der Ukraine sein, den Krieg gegen Russland weiterhin finanziert zu bekommen – und das wahrscheinlich, um bestenfalls einen Rumpfstaat an der östlichen Außengrenze der EU zu erhalten. Die ganze schmutzige Beziehung zwischen Brüssel und Kiew ist eine obsessive Liebesbeziehung, die Gefahr läuft, in Tränen zu enden.

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