Koalitionsstreit über Laufzeitverlängerung?
Eine entsprechende Stellschraube könnte beispielsweise eine Erhöhung des Angebots sein. Allerdings wäre ein Ausbau der erneuerbaren Energieträger kurzfristig kaum zu bewerkstelligen und daher eher nur mittel- bis langfristig eine Option. Hinzu kommt außerdem, dass im Jahr 2021 bereits eine Reihe von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken vom Netz genommen wurden, was die gegenwärtige Situation zusätzlich verschärft. Eine Reaktivierung von Kohlekraftwerken ist zwar bereits geplant, allerdings sind die Preise für den Energieträger Kohle infolge der Sanktionen gegen Russland ebenfalls deutlich gestiegen. Letztendlich bleibt noch eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten denkbar. Diese Maßnahme würde die erforderlichen Laufzeiten von Gaskraftwerken verkürzen, was wiederum den Strompreis senken würde.
Im Moment wird eine solche Verlängerung von AKW-Laufzeiten bekanntlich geprüft, doch diese Idee könnte nicht nur an der grünen Ideologie scheitern. So erklärte RWE-Chef Markus Krebber gegenüber dem Handelsblatt wenig enthusiastisch:
“Die Kapazitäten sind überschaubar, und der Effekt hält sich beim Blick auf die Gaskrise in Grenzen.”
An dieser Stelle dürfte jedem endgültig klarwerden: Auch die Energiekonzerne werden kein großes Interesse haben, die Laufzeiten zu verlängern, da sie damit zugleich das lukrative Geschäftsmodell für ihre unerwarteten derzeitigen Gewinne zunichtemachen würden. Dies erklärt auch, weshalb im Mai dieses Jahres so viel Gas “verstromt” wurde wie noch nie. Außerdem profitiert davon sogar der Bundeshaushalt: Für den Bund sinkt die EEG-Umlage, die er ab dem 1. Juli von den Verbrauchern übernommen hatte, nahezu auf null.
Auch bedingt durch die Hitzewelle der letzten Wochen wurde im Juli wesentlich mehr Gas zur Stromerzeugung genutzt als im Vorjahreszeitraum. Dies wurde vor allem in den Stromexporten deutlich: So wurde Elektroenergie aus Deutschland verstärkt in die Schweiz exportiert, da dort die Wasserkraftwerke aufgrund des niedrigen Wasserpegels in den Flüssen nicht so viel Strom erzeugen konnten, aber auch nach Frankreich. Dort lieferten die Atomkraftwerke aufgrund des hitzebedingten Kühlwassermangels nur eine verminderte Leistung. Zudem wurden zahlreiche Kernkraftwerke in Frankreich aufgrund von Korrosionsschäden der Kühlrohre erst einmal vom Netz genommen.
Allerdings hat dies weniger mit angeblich “solidarischem Verhalten europäischer Länder” zu tun, wie Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie gegenüber Focus Online behauptete. Im Interview räumte er selbst ein, dass es sich für die Unternehmen schlicht und einfach lohnt. Die Energiekonzerne haben also vermutlich gar kein Interesse an der Beseitigung der Schieflage am Markt, von der sie profitieren. Daher ist an dieser Stelle ein Eingriff des Staates notwendig, um die Fehler der Liberalisierung des Strommarktes in den 2000er Jahren zu korrigieren.
Andere und effektivere Eingriffe neben einer Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke wären zum Beispiel eine Preisdeckelung für Strom oder – ganz simpel – eine Aussetzung oder zumindest eine Anpassung des Merit-Order-Prinzips, da der Markt an dieser Stelle versagt und bei weiterer Gasknappheit für auch weiterhin explodierende Strompreise sorgen wird.
Zumindest ein weiterer Punkt wird jedoch in letzter Zeit häufig diskutiert: Eine Übergewinnsteuer zulasten der Krisenprofiteure. Einige Länder haben eine solche Steuer bereits eingeführt, wie zum Beispiel Italien im März, oder sie planen es, wie Ungarn, Großbritannien, Rumänien, Griechenland und weitere. Deutschland verhält sich allerdings derzeit wieder einmal wie ein Geisterfahrer: Habeck äußerte sich dazu zurückhaltend und erklärte bereits, dass die Umsetzung solch einer Idee schwierig werden könne. Sein Ministerium wiederum ist offenbar mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Der wahre Grund dürften allerdings Marktradikale wie der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sein, der eine zusätzliche Besteuerung von Unternehmen kategorisch ablehnt.
Habeck erntet in sozialen Medien Kritik für Katar-Besuch
Den größten Vogel hat Habeck selbst jedoch mit der Gasumlage abgeschossen: Anschließend “bedankte” er sich auch noch allen Ernstes bei RWE und Shell, dass diese auf die Umlage verzichten. Grund für die Entscheidung der Unternehmen ist offenbar die Befürchtung, dass womöglich doch noch eine Übergewinnsteuer kommt, so die Berliner Zeitung . Habeck erklärte diesbezüglich:
“Einige Unternehmen, die aber am Markt breit aufgestellt sind, haben gesagt: Wir wollen keine Kosten erstattet bekommen und von dieser Umlage keinen Gebrauch machen. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.”
Habeck bedankt sich also dafür, dass einige Unternehmen auf Geld verzichten, dass ihnen der Staat freiwillig geben würde, obwohl sie als Krisengewinner das ohnehin gar nicht nötig haben. Auf alle Bürger als Endverbraucher hingegen kommt noch die Gasumlage zu – neben der Inflation und den ohnehin explodierenden Strompreisen. Offenbar steht Habeck seinem Koalitionspartner Lindner in nichts nach, was die Anbiederung an Großkonzerne und die Verachtung der Lohnabhängigen angeht.
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