“Der Westen verbreitet georgische Propaganda-Klischees”: Interview mit abchasischem Außenminister
In den 2000er Jahren begann die Annäherung zwischen Russland und Abchasien. Nach dem Angriff Georgiens auf Südossetien am 8. August 2008 und dem darauf folgenden fünftägigen Krieg hat Russland die beiden abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten anerkannt. Seitdem ist die russische Hilfe gewachsen, die russisch-abchasische Integration geht voran. Dann kommt sie wieder auf die Frage nach der vermeintlichen Okkupation zurück. “Es gibt völkerrechtliche Kriterien für die Besetzung eines Landes durch ein anderes, die auch durch statistische Ausgangsdaten gestützt werden. Nach keinem dieser Parameter passt die so genannte ‘Besetzung’ Abchasiens hinein”.
Khibla spricht von einer Instrumentalisierung der abchasischen Frage seitens Georgiens: “Tbilissi erweckt auf den internationalen Bühnen den Eindruck, dass Abchasien ein Teil Georgiens ist. Aber die sogenannte Autonome Republik Abchasien, die in Berlin durch ‘eine Ministerin’ vertreten wurde, ist ein Phantom. Sie haben nichts zu regieren.” Sie schickt mir dann noch den Link zum Telegram-Kanal des echten abchasischen Außenministeriums. Dort ist in einem am Montag verfassten Statement von der georgischen “Politik der Eingliederung ohne Anerkennung” die Rede. Diese Politik sei im Westen konzipiert und ziele darauf ab, durch Elemente der Soft Power, vor allem Kultur, Tätigkeit der NGOs und Vergabe der Staatsbürgerschaft die beiden abtrünnigen Republiken wieder in den Einflussorbit von Tiflis zu bringen.
“Abchasiens Kampf um sein Überleben wird ungerechterweise als Okkupation gebrandmarkt, es werde aber nicht gelingen, einen Keil zwischen Abchasien, Russland und all die anderen zu treiben, die die abchasische Unabhängigkeit anerkannt haben” , verlautbart das Außenministerium Abchasiens.
Seit Jahrzehnten wird Georgien von Washington, Brüssel und Berlin mit allen Mitteln in das euroatlantische Bündnis hineingezerrt. Die Georgien-Krise hängt untrennbar mit der Ukraine-Krise zusammen. Im Jahre 2008 sollten die beiden Länder im Schnellverfahren in die NATO aufgenommen werden. Der Plan scheiterte, und nun ist eine Regierung in Tbilissi an der Macht, die sich weigerte, gegen Russland Sanktionen zu verhängen. Dies würde dem Land wirtschaftlich schaden, lautet die plausible Begründung. Da sehen Berlin und Brüssel Handlungsbedarf und schalten nun Kultur als “Softpower” ein. Der Europarat ließ noch im November 2017 Shavnabada im Plenarsaal in Straßburg die EU-Hymne in georgischer Interpretation singen. Da fielen auch die Worte “ich bin Georgier, also bin ich ein Europäer”. Wie kein anderes ist dieses Ensemble geeignet, diese westliche “kulturpolitische” Offensive auch heute noch fortzusetzen.
Nun fördert die Europäische Kommission das “Into the Open”, und als Förderer sorgt sie dafür (das ist natürlich nur Spekulation!), das Musikfestival in wenigen Monaten ausgerechnet in Georgien stattfinden zu lassen – ein Zufall? Im aufgedunsenen bürokratischen EU-Apparat in Brüssel passieren keine (solchen) Zufälle. Wenn von dort etwas gefördert wird, dann steckt ganz klar auch ein politischer Zweck dahinter. Keineswegs tauchte der Botschafter, ein bekennender Transatlantiker, ehemaliger Verteidigungsminister und Geheimdienstchef zusammen mit der sogenannten “Kulturministerin Abchasiens im Exil” zufällig in dem Konzert auf. Der Auftritt des georgischen Chors auf dem Festival sowie seine Propagandarede davor sind Teil der ausgeklügelten “strategischen Kommunikation”, die in Brüssel von einer sogenannten “East StratCom Task Force” betrieben wird. Würde Russland ähnliches tun, würde sofort der Aufschrei lauten, Putin lasse wie der “Mörder Stalin damals” die russische Kultur für seine Staatspropaganda missbrauchen, welch purer Totalitarismus!
Im Jahre 2019 hatte Russland in Deutschland ein großangelegtes Kulturprogramm “Russian Seasons” veranstaltet. Der russische Botschafter in Deutschland Sergei Netschajew hielt damals natürlich Eröffnungsreden. In diesen Reden pries er die russischen Künstler an und warb in seinem Gastland für noch mehr Kulturaustausch mit Russland. Heute würde er das immer noch tun, denn Netschajew ist ein Diplomat der alten Schule. Auch in diesen stürmischen Zeiten lässt das russische Außenministerium Netschajew sein hiesiges Amt auf ebendiese diplomatische und seriöse Art ausüben. Im Deutschland geht es jetzt andersherum. Ein EU- und NATO-Kandidat Georgien ernennt einen westlich ausgebildeten Ex-Geheimdienstchef zum Botschafter und lässt ihn bei Kulturevents mit Propagandareden gegen Russland hetzen. Das eigentlich kultivierte, deutsche Publikum, allesamt Musikliebhaber und regelmäßige Konzertbesucher, nimmt ihm das auch noch dankend ab.
Deshalb wurde es für einen Augenblick recht gruselig bei diesem Konzert des georgischen Chors. Ich habe verstanden, wie der Massenwahnsinn während des deutschen Faschismus möglich wurde. Das Feindbild sitzt mittlerweile in den Köpfen vieler Menschen fest verankert und wird schließlich nicht mehr hinterfragt, Regierung und Medien stimmen beharrlich auf einen Krieg gegen diesen Feind ein. Was folgt danach?
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