Quelle: www.globallookpress.com © Christian Charisius/dpa/Global Look Press Verdi droht der Bundesregierung mit bundesweiten Protesten. (Symbolbild: Protest der Hafenarbeiter im Juli)
Kurz vor den entscheidenden Beratungen der Bundesregierung über weitere Maßnahmen angesichts der hohen Energiepreise droht die Gewerkschaft Verdi mit deutschlandweiten Protesten, falls die Bürger nicht ausreichend entlastet werden. “Um die finanziellen Härten durch die Energiepreis-Explosion auszugleichen, muss der Staat noch einmal 20 bis 30 Milliarden Euro in diesem Jahr zusätzlich in die Hand nehmen”, sagte Verdi-Chef Frank Werneke der Augsburger Allgemeinen . Verdi bereite mit anderen Gewerkschaften und Sozialverbänden auch Demonstrationen im Laufe des Herbstes vor. “Die werden dann notwendig, wenn die Bundesregierung die Bürger nicht ausreichend entlastet.”
Auch Linke und AfD hatten angekündigt, Proteste zu organisieren und warnten vor einem “heißen Herbst”. “Wir dürfen uns in einer der reichsten Volkswirtschaften der Welt nicht damit abfinden, dass Menschen in Armut leben und nicht wissen, ob sie im Winter ihre Wohnung noch heizen können”, mahnte Linken-Chefin Janine Wissler bei einer Kundgebung Ende August und erneuerte die Forderungen, das 9-Euro-Ticket weiterzuführen und überhöhte Gewinne von Unternehmen in der Krise stärker zu besteuern.
Sollte es im Winter zusätzlich zu den rapide gestiegenen Preisen für Gas und Strom tatsächlich zu einem Energiemangel kommen, sehen manche deshalb gesellschaftliche Verwerfungen auf Deutschland zukommen.
SPD und Grüne hatten darauf gedrängt, noch diese Woche über neue staatliche Hilfen gegen die hohen Preise zu entscheiden. Bevor der Bundestag ab Dienstag den Etat für 2023 berate, müsse Klarheit herrschen, sagten die Fraktionsspitzen am Donnerstag.
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Finanzminister Christian Lindner hatte sich zwar strikt gegen weitere als die zuvor angekündigtem Entlastungen gestellt und das damit begründet, dass dafür schlicht kein Geld mehr da sei.
Dann konnte er plötzlich für das Entlastungspaket doch noch eine Summe einstelligen Milliardenbereich zusammenkratzen – weil die Steuereinnahmen doch besser ausgefallen seien als erwartet, wie der FDP-Politiker bei der Kabinettsklausur in Meseberg erklärte. Das aber halten die Koalitionspartner für absolut unzureichend.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte dazu: “Wir plädieren für unterschiedliche Maßnahmen, die zielgerichtet sind.” Sie kündigte weiter an, dass die vom Finanzminister vorgesehenen Spielräume entsprechend ausgeweitet werden müssten: “Das wird mit Sicherheit nicht im einstelligen Milliardenbereich sein, worauf sich die Koalition dort verständigen sollte”, so Dröge am Rande einer Tagung des erweiterten Fraktionsvorstands in Potsdam. Die bisherigen zwei Pakete hatten ein Volumen von zusammen rund 30 Milliarden Euro.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich würde auch einen Nachtragshaushalt nicht kategorisch ausschließen, wie er dem Magazin Radiowelt des Radiosenders Bayern 2 sagte. Im Haushalt gebe es aber sicher Mittel, die nicht ausgegeben würden. “Hier hat der Finanzminister auch Spielraum.” Grüne und SPD können sich zur Finanzierung von Entlastungsmaßnahmen weiterhin auch eine Sondersteuer auf überhohe Gewinne von Unternehmen vorstellen – was die FDP aber ablehnt.
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Der Bundestag berät ab Dienstag über den Haushalt für 2023, vorher soll Klarheit herrschen. “Wir werden diese Woche ein drittes Entlastungspaket beschließen”, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang in der ZDF -Sendung Maybrit Illner . Die Entscheidung soll in einer Sitzung des Koalitionsausschusses fallen, dem Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Lindner und die Fraktions- wie Parteispitzen der drei Ampel-Partner angehören. Am Freitag hieß es, dass der Koalitionsausschuss am Samstagmorgen zu Beratungen über neue Maßnahmen angesichts der hohen Energiepreise zusammenkommt.
Laut Bundeskanzler Scholz ist sich die Regierung “einig, etwas für diejenigen tun zu wollen, die wenig Geld verdienen”. “Wir wollen das Wohngeld so reformieren, dass mehr Leute davon profitieren, und Hartz IV werden wir zu Beginn des kommenden Jahres durch das neue Bürgergeld ersetzen”, bekräftigte er in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung . “Und wir werden etwas für Rentnerinnen, Rentner und Studierende tun und für viele die Steuern senken.”
Die Grüne Jugend forderte einen Energiepreisdeckel, eine Übergewinnsteuer, Direktzahlungen und eine Weiterführung des 9-Euro-Tickets. “Die Ampel muss einen echten Rettungsschirm für die Menschen schaffen, denn die Zeit drängt”, sagte die Co-Chefin der Grünen-Nachwuchsorganisation, Sarah-Lee Heinrich, der Deutschen Presse-Agentur .
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Die Bundesregierung müsse Taten folgen lassen und Lindner den Sparkurs aufgeben, verlangte Heinrich. “Die Aussetzung der Schuldenbremse 2023 ist notwendig.”
Auch Verdi-Chef Werneke forderte dies. Die Schuldenbremse setzt der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen.
Der Sozialverband Deutschland (SOVD) bezeichnete die Entscheidung über ein drittes Entlastungspaket mehr als überfällig. “Denn die Menschen brauchen endlich Gewissheit darüber, dass sie den Winter gut überstehen können, ohne Angst zu haben, in kalten Wohnungen und vor leeren Kühlschränken zu sitzen”, sagte die Bundesvorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier der Deutschen Presse-Agentur . Der SOVD forderte unter anderem eine Heizkostenkomponente beim Wohngeld, den Verzicht auf Gas- und Stromsperren, eine Energiepreispauschale auch für Rentner und Studierende, sowie ein Inflationsgeld für alle.
Schon ohne Übergewinnsteuer kann die Koalition das dritte Entlastungspaket mit zusätzlichen Steuereinnahmen finanzieren, wie führende Steuerschätzer vorrechnen. Der Bund habe von Januar bis Juli 16 Prozent mehr Steuern als im Vorjahr eingenommen und liege damit um sechs Prozentpunkte höher als bisher erwartet, sagte Nils Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft der Düsseldorfer Rheinischen Post . Allein bei der Umsatzsteuer seien im ersten Halbjahr 29 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Allerdings lasse sich die gute Entwicklung im zweiten Halbjahr nicht einfach fortschreiben.
Für die Steuerschätzerin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Kristina van Deuverden, deutet sich an, dass viele Unternehmen ihre Gewinnerwartungen wegen Corona zu weit nach unten korrigiert hatten und nun Steuern nachzahlen. Ihr Kollege Max Lay vom Münchner Ifo-Institut wies in der Zeitung darauf hin, dass im ersten Halbjahr wegen auslaufender Corona-Hilfen die Staatsausgaben nicht so stark gestiegen sind, woraus sich Spielraum ergeben könne.
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