Meinung Nord-Stream-Sabotage: Deutschland und der EU wurde eine Kriegserklärung ausgehändigt
Dagegen haben in den USA die Republikaner schon früh die Frage gestellt, ob die Unterstützung der Ukraine den eigenen Interessen diene. In den EU-Staaten dagegen gibt es keine bedeutende Kraft, die für eine andere Politik stehen könnte. Alle großen Parteien in Deutschland haben wie 1914 für die Aufrüstung der Bundeswehr gestimmt und hundert Milliarden abgenickt. Wer von diesen Hurra-Rufern soll mit Russland verhandeln, wenn erkennbar wird, dass nicht Russland, sondern die Ukraine zusammenbricht?
Wer ist da, der von Anfang an einen anderen Umgang mit Russland gefordert hätte, sodass jetzt andere politische Akteure mit Vorschlägen zur Beilegung der Krise an Russland herantreten könnten? Da ist keine Partei, die eine andere Regierung bilden könnte, um einen Ausgleich mit Russland zu finden. Es bleibt also nichts anderes, als den Krieg bis zum bitteren Ende zu führen. Besonders bitter dürfte dieses Ende für die einfachen Menschen hierzulande und in der Ukraine werden, auf deren Rücken Russland vernichtet werden soll, wie von westlichen Politikern zu hören war. Und welcher Ausweg bleibt für Russland außer der Fortsetzung des Krieges angesichts solcher Drohungen und Aussichten?
Neue Ordnung
Der Krieg wird nicht ewig dauern, aber was kommt danach. Dabei geht es nicht nur um die Ukraine. Sie ist nur ein Symptom, eine Bruchstelle im Ordnungssystem der Welt, wie sie nach dem Ende des Kalten Krieges entstanden ist. Welche Ordnung will der Westen anstreben anstelle der alten, der seiner eigenen Vorherrschaft, und vor allem auf welcher Weltsicht soll sie entstehen?
Russland, China, der Iran und all die anderen vom Westen Sanktionierten haben ein klares Weltbild. Sie sehen die Entwicklung hin zu einer multipolaren Welt, in der nicht mehr der Westen und die USA als dessen Führungsmacht das Sagen haben. Diese Sicht scheint auch dem Gang der Dinge in der Welt zu entsprechen.
All diese Staaten, die über Jahre vom Westen durch Sanktionen drangsaliert wurden, wollen eine unabhängige und gleichberechtigte Entwicklung ihrer Gesellschaften und Wirtschaft nach ihren eigenen Maßstäben, ihren Werten und Grundsätzen, ihrem kulturellen und historischen Werdegang, ohne Bevormundung und Drohungen durch den Westen. Für diese Wünsche scheint die Zeit gekommen, und sie scheinen nicht mehr aufzuhalten zu sein.
Denn die Kräfteverhältnisse in der Welt haben sich verändert. Russland ist so sehr erstarkt, dass es einer weiteren Ausdehnung des NATO-Gebiets militärisch entgegentritt. China hat wirtschaftlich mit dem Westen gleichgezogen. Und die Sanktionierten der Welt sind zu einer solchen Macht geworden, dass sich Russland und China auf sie stützen können.
Daher rührt die Unerbittlichkeit des Westens gegenüber Russland und China. Er sieht in dieser sich abzeichnenden neuen Ordnung für sich keinen Platz mehr. Sein Selbstbild einer überlegenen, weil auf Werten gegründeten Ordnung, entspricht immer weniger der Realität. Aber sich ein neues Weltbild zu schaffen auf der Grundlage dieser Veränderungen, scheint außerhalb seiner Fähigkeiten zu liegen.
Dabei geht es eigentlich um nichts weiter außer dem Abschied von alten Glaubensätzen und den Vorstellungen besonders der USA, dass sie die Ordnung des Planeten bestimmen müssen. Selbst wenn die USA und die sogenannte westliche Wertegemeinschaft ihre vorherrschende Stellung auf der Erde verlieren, so werden sie doch nicht untergehen. Beide werden weiterbestehen. Denn es geht noch nicht einmal wie zu Zeiten der Sowjetunion um die Entmachtung des Kapitalismus.
Die Menschen werden weiterhin in ihren Häusern leben können, ihrer Arbeit nachgehen, ihre Kinder in die Schule bringen und einkaufen gehen. Sie werden zu Tisch sitzen und gemeinsam essen. Sie werden abends fernsehen, sich mit Freunden treffen und am Wochenende Picknick machen. Am Alltag und Leben der Menschen ändert sich nichts. Selbst die Sonne wird weiterhin morgens aufgehen und abends unter.
Wie der chinesische Präsident Xi Jinping zu seinem Amtskollegen Biden so richtig sagte: „Die Welt ist groß genug für unsere zwei Länder.“ Darin liegt die Erkenntnis, dass keiner dem anderen etwas wegnimmt. Die Vorstellung, etwas zu verlieren, wenn der andere etwas gewinnt, ist ein Bild aus einer alten Welt. Die sich abzeichnende neue Ordnung gründet auf Zusammenarbeit zum Vorteil aller.
Rüdiger Rauls ist Autor und Texter. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
Source