Quelle: www.globallookpress.com © Bernd Weißbrod Auf die geplante Stilllegung von vier Prozent aller Ackerflächen soll angesichts der Getreidekrise vorübergehend verzichtet werden.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) will deutschen Landwirten angesichts der drohenden Getreidekrise infolge des Ukraine-Krieges entgegen seiner ursprünglichen Bedenken nun offenbar doch ermöglichen, Agrarflächen für den Anbau bestimmter Pflanzen zur Nahrungsmittelproduktion länger zu nutzen. Wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft am Samstag mitteilte, sieht der am Freitag vorgelegte Kompromissvorschlag des Grünen-Politikers vor, die umstrittenen EU-Neuregelungen zu Ackerflächenstilllegungen und zum Fruchtwechsel einmalig auszusetzen.
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Die im Strategieplan der EU-Kommission zur Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt vorgesehene Stilllegung von vier Prozent aller Ackerflächen zur Erschließung sogenannter Artenschutzflächen soll laut des Kompromisses statt in diesem Jahr nun doch erst 2024 durchgeführt werden. Die Landwirte könnten dann im kommenden Jahr auf diesen Flächen weiter Nahrungsmittel anbauen.
Hintergrund sind ab 2023 greifende EU-Vorgaben im Rahmen des sogenannten Green Deals. Diese sehen unter anderem vor, dass ein Teil der Landwirtschaftsflächen künftig nicht mehr der Produktion von Nahrungsmitteln, sondern dem Artenschutz dienen soll. Auch der Anbau derselben Ackerpflanzen zwei Jahre in Folge auf der gleichen Fläche soll den Bauern vor dem Hintergrund des Bodenschutzes nach den Plänen der EU dann grundsätzlich nicht mehr möglich sein. Bei Nichteinhaltung der neuen Regelungen droht der Verlust der von den meisten Betrieben dringend benötigten EU-Direktzahlungen im Rahmen der sogenannten Einkommensgrundstützung. Die Umsetzung der Vorgaben hatte Brüssel aber den jeweiligen EU-Staaten überlassen.
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In Deutschland soll die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums im kommenden Jahr angesichts der drohenden Getreidekrise allerdings vorerst ausgesetzt werden. Den Landwirten solle somit weiter ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein, “allerdings im Sinne der Ziele des Kommissionsvorschlags eingeschränkt auf die Produktion von Nahrungsmitteln, daher auf die Kulturen Getreide (ohne Mais), Sonnenblumen und Hülsenfrüchte (ohne Soja)”, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums.
Die Ausnahmeregelung gelte jedoch nur für Flächen, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen waren: “Die bestehenden Artenvielfaltsflächen werden dadurch weiterhin geschützt und können ihre Leistung für Natur- und Artenschutz sowie eine nachhaltige Landwirtschaft erbringen.” Seinen Kompromissvorschlag habe Özdemir den Bundesländern demnach bereits vorgelegt. Diesem müssten die Länder allerdings noch zustimmen.
Durch die vorübergehende Aussetzung der strengen Umweltauflagen ist es den Landwirten nun vorübergehend möglich, Weizen auf den zuvor stillgelegten rund 380.000 Hektar Ackerland anzubauen. Auf dieser Fläche könnten nach wissenschaftlichen Berechnungen im kommenden Jahr somit bis zu 3,4 Millionen Tonnen Weizen erzeugt werden. So gelinge es am besten, “die Getreideerträge in Deutschland stabil zu halten und damit zur Stabilität der Weltmärkte beizutragen”, so das Ministerium.
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Die Zugeständnisse Özdemirs kommen dabei durchaus überraschend. Noch vor wenigen Wochen hatte der Bundeslandwirtschaftsminister die Pläne der EU-Kommission, die derzeit geltenden Umweltauflagen für Landwirte vor dem Hintergrund der EU-weiten Getreidekrise vorübergehend zu lockern, stark kritisiert. Er könne Umweltauflagen nur dann lockern, wenn er an anderer Stelle verschärfe, sagte Özdemir der Neuen Osnabrücker Zeitung . Das müsse er nun genau prüfen. Mit der geplanten Lockerung entziehe sich die Kommission lediglich dem wachsenden Missmut der Landwirte und verlagere die Verantwortung auf die Mitgliedsstaaten, kritisierte der Grünen-Politiker mit Blick auf die wachsende Protestbewegung der Bauern.
“Anstatt selber die Verantwortung für eine nachhaltige Agrarpolitik zu übernehmen, schiebt die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten vors Loch.” Es gebe “deutlich größere Hebel, die Brüssel aber leider nicht gezogen hat”, bemängelte Özdemir damals.
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