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Von Dagmar Henn
Man hätte meinen können, dass nach dem Ende der Schattenhaushalte Vernunft einkehrt und wenigstens die schlimmsten Kapriolen des Klimawahns gestrichen werden. Aber bisher deutet nichts darauf hin. Im Gegenteil – im Verlauf der letzten Tage wurde in mehreren Presseberichten gemeldet, dass ausgerechnet die Bundesregierung versucht, den auf EU-Ebene gekippten Sanierungszwang über die Kommission wieder durchzusetzen.
Knapp 60 Prozent Steigerung: Über 600.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung
Wir erinnern uns: Neben dem Habeckschen Heizgesetz ist noch ein EU-Gesetz unterwegs, das schrittweise Wohnungen und Häuser, die den energetischen Vorgaben nicht genügen, für unbewohnbar und unverkäuflich erklären soll. Offenkundig war der Widerstand aus anderen europäischen Ländern groß genug, dass das EU-Parlament diese Entscheidung nicht stützte. Eine solche Vorgabe würde insbesondere für die Deutschen zum Problem, weil die Einstufung der Gebäude in unterschiedliche Kategorien des Energieverbrauchs mitnichten auf europaweit einheitlichen Werten beruht, sondern sich diese Stufen zwischen den Ländern sehr stark unterscheiden. Ein Gebäude, das in Deutschland nur die Kategorie D erhält, erhielte in den Niederlanden ein A und wäre damit von diesem Sanierungszwang nicht betroffen.
Drei Viertel des deutschen Wohnungsbestands wurden vor 1979 errichtet; die möglichen Auswirkungen einer Sanierungspflicht sind also enorm. Vor einiger Zeit hieß es, die Bundesregierung wolle nicht weiter auf eine Sanierungspflicht für einzelne Objekte setzen, sondern nach Stadtvierteln vorgehen und sich dafür auch in Brüssel einsetzen. Nach Aussage des Verbands der Wohnungswirtschaft, GdW, “ist es unter anderem das Wirtschaftsministerium von Habeck, das die Zwangssanierung auf EU-Ebene noch nach vorne treiben will.” Kein Wunder, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor wenigen Tagen beim Tag der Wohnungswirtschaft nicht einmal auftauchte – genauso wenig wie seine Kabinettskollegin, Bauministerin Klara Geywitz.
Dieser Aspekt der Investitionsunsicherheit ist gewissermaßen nur das Sahnehäubchen auf einen Sektor, der ausgerechnet während eines allgemein anerkannten massiven Wohnungsmangels gezielt ins Chaos geführt zu werden scheint. Die Urteile zu den Schattenhaushalten betreffen beispielsweise auch Finanzhilfen beim Erwerb von Genossenschaftsanteilen, was eine ganze Reihe genossenschaftlicher Bauvorhaben zum Stillstand bringt. Verhängnisvoll, weil auch Genossenschaftsanteile mit steigenden Baukosten teurer werden, und selbst bereits etablierte Genossenschaften schon mit den Vorgaben der Energieeinsparverordnungen in Schwierigkeiten gerieten. Schon bei der EnEV 2009 zogen Genossenschaften die Konsequenz, ihre Wohnhäuser schlicht abwohnen zu lassen, weil Sanierungen im Bestand dadurch zu teuer wurden.
Dank der Urteile zu den Schattenhaushalten steht nun natürlich auch in den Sternen, ob es beim erzwungenen Heizungstausch noch irgendeine Förderung geben wird. Das bedeutet: Weder die Sanierung eines Altbaus, noch ein Neubau können derzeit kalkuliert werden. Was den ohnehin drohenden Kollaps des Wohnungsbaus geradezu in Stein meißelt.
Deutsche Bauwirtschaft alarmiert: 300.000 Arbeitsplätze könnten bis 2025 wegfallen
Versuche, die Umsetzung vorhandener Gesetze hinauszuzögern – das Maximum an Vernunft, zu dem sich diese Regierung bisher durchringen kann –, sind zum Scheitern verurteilt, wie neuere Urteile zu “Klimaschutzmaßnahmen” belegen. Wenn es ein Gesetz gibt, kann man darauf wetten, dass Lobbyorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe Klage einreichen, wenn es nicht ordnungsgemäß umgesetzt wird (andernorts wäre die DUH zu Recht bereits als “ausländischer Agent” klassifiziert). Die einzige tatsächliche Lösung bestünde also darin, die entsprechenden Gesetze tatsächlich aufzuheben; das allerdings ist ein Schritt, zu dem weder Regierung noch Opposition bereit sind.
Die stetig weiter verschärften Vorgaben zur Dämmung dürften beträchtlich zum Anstieg der Baukosten beigetragen haben. Allein im Zeitraum von 2010 bis 2021 stiegen – noch vor dem letzten Preisschub dank der Russlandsanktionen – die Baukosten um 41 Prozent, während die allgemeine Inflation in diesem Zeitraum nur 17 Prozent betrug. Aber schon das Kostenniveau von 2010 beinhaltete die Folgen mehrerer, stetig verschärfter Energieeinsparverordnungen. In insgesamt über 30 Jahren unterschiedlich begründeter verteuernder Vorgaben dürfte mittlerweile die Hälfte der Baukosten die Folge dieser Politik sein; und in logischer Konsequenz dann auch ein großer Teil der Mietsteigerungen.
Wollte man tatsächlich das gewaltige soziale Problem entschärfen, das sich in der Lage auf dem Wohnungsmarkt verbirgt, müsste man in großem Maßstab neu bauen. Und um das zu ermöglichen, müssten erst einmal alle derartigen Vorgaben auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden. Es ist seit Jahren bekannt, dass beispielsweise noch besser gedämmte Fenster unmöglich eine Einsparung an Heizenergie ermöglichen, die die hohen Kosten rechtfertigen. Man könnte die Gesamtentwicklung der letzten Jahrzehnte auch eine gezielte Strangulation des Wohnungsbaus nennen.
Wie das Ganze aussieht, wenn nicht gegengesteuert wird, kann man auf Bildern aus den USA betrachten. Wer glaubt, davon sei Deutschland noch weit entfernt, muss wissen, dass vielerorts bereits Zeitbeschränkungen für das Leben auf Campingplätzen gefallen sind; unter anderem, weil es in Universitätsstädten gar nicht mehr möglich ist, alle Studenten mit halbwegs bezahlbarem Wohnraum zu versorgen.
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Man hat sich bisher nicht die Mühe gemacht, zu untersuchen, welche Folgen diese Lage auf dem Wohnungsmarkt auf die Familienplanung der Deutschen hat. Der Bundestag ist allerdings inzwischen auch ein Parlament, dessen Insassen mit den Lebensbedingungen normaler Bundesbürger bestenfalls in ihren Sprechstunden Kontakt haben; das Standardexemplar Abgeordneter ist verbeamteter Akademiker, weit entfernt von jeder Notlage, die durch diese Politik ausgelöst wird.
Die katastrophalen Entwicklungen, die sich abzeichnen, sollten Anlass genug sein, alle Vorgaben im Wohnungsbau auf den Prüfstand zu stellen und sich auf jene zu beschränken, die nachweislich reale Einsparungen bewirken und die einer Befriedigung der Nachfrage nicht im Weg stehen. Stattdessen wird, entweder aus ideologischer Verblendung oder aus Liebedienerei gegenüber jenen, die von den stetig steigenden Mieten profitieren, eine Politik fortgesetzt, die den Interessen der Bevölkerung entgegengesetzt ist und inzwischen sogar ökonomisch ruinös wirkt.
Wenn das Habeck-Ministerium tatsächlich auf eine Beibehaltung des Sanierungszwangs drängt, arbeitet es an einer weiteren, künstlichen Verknappung auf einem ohnehin schon mehr als angespannten Markt. Man mag sich nicht mehr vorstellen müssen, was die Folgen wären; vor allem, wenn die Frage der unterschiedlichen Klassifizierungen nicht einmal aufgeworfen wird. Aber Hoffnung auf eine wirkliche Überprüfung dieser Politik ist gering; nicht einmal das neue Parteiprojekt von Sahra Wagenknecht ist willens, dem Klimaglauben abzuschwören.
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