Wegen kritischen Berichts des Bundesrechnungshofs zur “Energiewende”: Habeck ist beleidigt
Habeck versieht seine Erzählung zu DARPA wieder einmal mit einem Imponierwort, diesmal “Sprunginnovationen”, und dann kommt das:
“Die geben sehr – so sagt man ja immer – missionsorientiert Aufträge aus, und dann, das, ich traf die jetzt da, sehr interessant, die Denke dahinter. Die stellen Teams ein, im Grunde die besten Forscher. Ich glaube, die zahlen jetzt nicht die besten Gehälter, aber es ist ein – danach findet jeder ‘ne Verwendung, und zwar ‘ne gute, für vier Jahre. Also die diskutieren mit den Militärs und mit den Strategen und mit der Wissenschaft, und dann gibt es eine Problembeschreibung, und dann stellen sie Teams zusammen, und für die Lösung des Problems haben die Leute vier Jahre. Und wenn die vier Jahre vorbei sind, dann, interessanterweise, ist das Problem entweder gelöst, oder wenn es nicht gelöst ist, dann sind die Leute nicht gescheitert, sondern dann ist die Erkenntnis gewonnen, dass das nicht der richtige Weg zur Lösung ist. Und dann fangen sie mit einem anderen Lösungsweg an. “
Sowas aber auch. Das klingt, als habe sich Robert Habeck in seinem gesamten Leben vor seinem US-Besuch nie darüber Gedanken gemacht, wie naturwissenschaftliche Forschung funktioniert. Das, was er als etwas völlig Neues verkauft, das ihn “tief beeindruckt” hat, ist wirklich nicht ungewöhnlich. Vielleicht will er ja mal mit dem CERN telefonieren, oder mit dem Kernfusionsprojekt in Greifswald? Die können ihm auch erzählen, dass man, wenn etwas nicht funktioniert, die Erkenntnis gewonnen hat, dass das nicht der richtige Weg zur Lösung ist. Auch Problembeschreibungen und Zeitvorgaben für Teams sind wirklich keine Spezialität von DARPA. Es ist ein klein wenig so, als würde er mit großer Begeisterung verkünden, er habe entdeckt, dass für Milch Kühe gemolken werden. Wobei es tief blicken lässt, dass das eine US-amerikanische Kuh ist.
Grundlagenforschung (ja, so nennt man diesen Bereich, Herr Habeck) ist übrigens eigentlich keine US-Spezialität, das war einmal vor allem eine deutsche. Falls Ihnen die Namen Wilhelm Röntgen, Carl Benz, Lise Meitner oder Albert Einstein noch etwas sagen, beispielsweise. Das war unter anderem möglich, weil die Universitäten gut genug mit Geld ausgestattet waren, dass sie sich ein derartiges Vorgehen, wie Habeck es bei der DARPA preist, leisten konnten. Was heute, da alles von der Drittmitteleinwerbung dominiert wird, nicht mehr so richtig funktioniert. Übrigens ein Problem, das sich nicht sofort, aber auf mittlere Sicht massiv bemerkbar macht. Man muss keine Panzer bauen wollen, um zu forschen, aber es braucht Zeit und Geld. Und das, was Habeck später als “Spillover-Effekt” erwähnt, also die kleinen Erfindungen, die nebenbei anfallen – als Grüner kann Habeck natürlich nicht das Standardbeispiel Teflonpfanne anführen, Teflon ist eine Halogenverbindung – auch das gibt es immer, wenn Forschung ermöglicht wird. Dafür muss sie wirklich nicht militärisch sein.
Die Mysterien der Wirtschaft
Gehen wir über zu dem Bereich, in dem er inzwischen wenigstens etwas wissen müsste. Es sollte unmöglich sein, seine Tage mit Sitzungen und dem Studium von Entwürfen in einem Wirtschaftsministerium zu verbringen, ohne nicht irgendwie Zusammenhänge aufzuschnappen. Wir sind immer noch bei der Rüstungsproduktion, die Habeck zufolge ausgeweitet werden muss (und ich bitte um Vergebung, aber das muss so lang sein, damit man selbst sieht, wie wirr das ist):
Deutschland: 110 Milliarden Mehrausgaben für Energie seit Sanktionsbeginn
“Insgesamt haben wir ein Produktionskapazitätsproblem in Deutschland. Das speist sich vor allem aus zwei Gründen: Der Kapitalstock ist nicht groß genug, also auch im internationalen Vergleich, die amerikanischen Banken sind einfach um ein Vielfaches größer als die europäischen Banken – heißt, sie können auch größere Projekte finanzieren. Dazu kommt eine gewisse Riskoscheuheit der deutschen Kapitalsammelstellen oder der europäischen, gerade im Start-Up-Bereich sieht man das, dass sehr viele coole, interessante Unternehmen Geld einsammeln, aber selten europäisches Geld, sondern machen immer die Amis, die sind da risikobewusster, das größere Problem ist noch das Potenzial an verfügbarer Arbeitskraft. Und das nimmt ab, wir werden älter. Und wenn wir da nicht gegensteuern, dann werden wir natürlich immer stärker in Engpässe reinlaufen, zwischen den verschiedenen Sektoren der Wirtschaft, der Industrie, des Dienstleistungssektors, meinetwegen der Behörden, und am Ende fehlen Ihnen die Journalisten, weil sie woanders arbeiten müssen. Und dann hat die ZEIT auch ein Problem.”
Die zwei Gründe, aus denen sich das Problem speist, heißen also “Risikoscheuheit” (eigentlich Risikoscheu) der Kapitalsammelstellen und Engpässe, in die man bei der Arbeitskraft läuft. Danke, dass wir darüber gesprochen haben. Leider gab es keine genaueren Ausführungen, wie man beim Älterwerden gegensteuern kann, das hätte mich sogar privat interessiert. Wobei, die Vorstellung eines akuten Journalistenmangels bei der Zeit hat in den letzten Jahren ziemlich an Charme gewonnen.
Nein, ernsthaft, klar gibt es Bereiche, in denen eine Finanzierung schwierig werden kann. Aber die Projekte, die so groß sind, dass die europäischen Banken dafür nicht genügen, sind nicht irgendwelche Start-Ups, die an der “Risikoscheuheit der deutschen Kapitalsammelstellen” scheitern. Übrigens, die Geschichte von Airbus ist ein Beispiel dafür, wie solche Probleme gelöst wurden.
Der Begriff “Kapitalsammelstellen” ist exotisch; erstaunlicherweise gibt es ihn tatsächlich. Gemeint sind damit Investmentgesellschaften, Fonds, Versicherungen und Pensionsfonds. Da gibt es allerdings bei den meisten einen ganz simplen Punkt, der einem sofort in den Sinn kommt, wenn man “Versicherungen und Pensionsfonds” liest. Der nennt sich mündelsicher. Oder, übersetzt, viele der Institutionen, die unter den Oberbegriff “Kapitalsammelstellen” fallen, dürfen gar nicht weniger risikoscheu sein, weil sie gesetzlichen Auflagen unterliegen, das ihnen anvertraute Geld in sicheren Anlagen anzulegen. Ich will ja nicht schon wieder von der Autobahn-AG reden… ein Wirtschaftsminister sollte jedoch zumindest schon einmal davon gehört haben. Übrigens war 2009 der Pensionsfonds der Lehrer von Illinois ein hervorragendes Beispiel dafür, wie es ausgehen kann, wenn man das nicht tut, und ganz aktuell haben diverse dieser Kapitalsammelstellen Probleme mit der Signa-Pleite, was immer noch nur das Präludium für die Gewerbeimmobilienkrise ist, aber was hat schon ein Wirtschaftsminister…
Habeck: “Israel kann jetzt nicht Halt machen” – Schutz der Zivilbevölkerung auch wichtig
“Selten europäisches Geld, sondern machen immer die Amis” ist eine überraschend romantische Vorstellung. Da gibt es beispielsweise eine Gesellschaft namens Pimco, ansässig in Newport Beach, Kalifornien, die war eine Zeit lang der größte Investmentfonds weltweit. Das ist eine Tochtergesellschaft der – Allianz Versicherungen. Erstaunlich, oder? Ganze 97 Prozent gehören der Allianz. Ist das nun deutsches Geld oder amerikanisches? Nachdem die Allianz weltweit tätig ist, könnte auch Geld, das in Indonesien in eine Lebensversicherung eingezahlt wird, bei Pimco landen. Nur, weil Geldbeträge in US-Dollar notiert sind, ist das deswegen noch lange kein “amerikanisches Geld”. Wie, um Himmels Willen, soll jemand, dessen ökonomische Wahrnehmung so einfach strukturiert ist, begreifen, welche Folgen die Geldschöpfungsmethoden der Federal Reserve haben, oder was davon zu halten ist, wenn der Haircut beim Overnight steigt?
Gut, das ist alles schwierig bis esoterisch, und das letzte Mal, als man sich in der breiten Öffentlichkeit mit derartigen Dingen befasste, war, als der Markt für MBS-Papiere in den USA zusammenbrach und sich die Welt mit der Finanzmarktkrise vergnügen durfte. Aber seitdem gab es ganz viel “quantitative easing”, sprich, insbesondere die FED hat Aktien aufgekauft, um so den Aktienmarkt am Laufen zu halten. Die EZB war da ein wenig vorsichtiger und verringerte nur die Anforderungen an Papiere, die sie in Zahlung nahm. Aber diese und andere Maßnahmen schaffen zusätzliches Geld, dem kein realer Wert entgegensteht, sodass im Hintergrund immer noch eine gewaltige Inflation auf ihren Auftritt wartet.
Weiter in Teil 2
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