Meinung

Hallo Berlin, Wahlen? Interessieren mich nicht!

Hallo Berlin, Wahlen? Interessieren mich nicht!

Quelle: Gettyimages.ru © Soeren Stache/picture alliance via Getty ImagesNach den Wiederholungswahlen in Berlin: Plakat mit der Aufschrift “Hier passiert jetzt was!” und Ukraine-Flaggen vor dem Roten Rathaus, 13. Februar 2023

Von Tom J. Wellbrock

Bezeichnend ist etwa das Thema Wohnen. Vor jeder Wahl stellen sich alle Parteien mit breiter Brust auf, um dieses Problem zu lösen. Es gibt zu wenig bezahlbaren Wohnraum, die private Wohnungswirtschaft hat naturgemäß keinen Sinn für das öffentliche Wohl, und die Mieten fressen den Menschen die Haare vom Kopf. Das muss sich ändern, wird uns versprochen.

Wiederholungswahl in Berlin: CDU weit vorn, Rot-Rot-Grün mit knapper Mehrheit

Wiederholungswahl in Berlin: CDU weit vorn, Rot-Rot-Grün mit knapper Mehrheit

Wiederholungswahl in Berlin: CDU weit vorn, Rot-Rot-Grün mit knapper Mehrheit

In der Sonntagsrunde ging es wieder ums Wohnen. Gebetsmühlenartig wurde nach der Wahl wiederholt, was bereits vor der Wahl gesagt und gefordert wurde. Damit dürfte der Fall dann auch erst einmal wieder für längere Zeit erledigt sein. Bis mal wieder irgendwo Wahlurnen aufgestellt werden.

Das Wohnungsproblem ist bezeichnend und kann stellvertretend für die deutsche Politik gesehen werden. Das Problem selbst wird einfach nicht angepackt. Sie reden viel, doch sie sagen nichts. Sie versprechen viel, doch sie halten nichts. In diesem Zusammenhang sei eine Politikerstimme zitiert, die sich noch am Sonntagabend folgendermaßen äußerte:

“Jetzt ist nicht die Zeit für Taktierer, jetzt ist die Zeit für Macher.”

Wer das gesagt hat? Ist unerheblich. Es ist das übliche BlaBla einer politischen Kaste, die ohnehin kein Interesse daran hat, wirklich zum Wohle der Bevölkerung des Landes irgendetwas zu verändern.

Macher sind sie alle. Macher für sich selbst, ihre eigenen Interessen, ihren eigenen Vorteil. Es geht um Macht, um Geld, um Netzwerke. Allein die Tatsache, dass diese Berliner Wahl überhaupt wiederholt werden musste, spricht Bände. Selbst der formale Vorgang, eine Wahl durchzuführen, hat an Relevanz verloren. Wäre das, was gern verniedlichend als “Pannen-Wahl” bezeichnet wird, nicht ans Licht gekommen, sie hätten einfach weitergemacht mit ihrem sonnigen Leben im eigenen Mikrokosmos der Politiker.

So, so, jetzt liegt also die CDU vorn in der Wählergunst. Bei einer Wahlbeteiligung, die jedem verantwortungsbewussten Politiker die Tränen in die Augen treiben müsste. Aber hey, was soll’s? Schwamm drüber, gewählt ist gewählt, Mund abwischen und weitermachen.

Eine (diesmal) technisch funktionierende Wahl sollte es werden, gelobten alle Beteiligten zuvor, und ein Journalist sagte am Sonntagnachmittag, dass es relativ wenige Pannen gegeben habe, und das sei ja sehr schön. Das hat zwar jetzt mit dem Wohnungsproblem gar nichts zu tun, aber ist halt auch wichtig.

War was?

Rufen wir uns doch einmal in Erinnerung, welche konkreten Verbesserungen es für die Bevölkerung in den letzten Jahren gegeben hat. Zum Beispiel bei den Löhnen, den Renten, bei Hartz-IV, den Mieten, der Bildung und aktuell den Energiepreisen und den Lebenshaltungskosten. Nicht zu vergessen die sich kontinuierlich ausbreitende Armut in weiten Teilen der Bevölkerung. War da was? Können Sie sich an wirklich spürbare und ganz offenkundig am Wohle der Menschen orientierte Verbesserungen erinnern? Die in Berlin besonders stolz gehissten Regenbogenfahnen klammere ich ausdrücklich aus.

Vor der Wiederholungswahl in Berlin: Schulbau- und Sanierungsprogramm des Senats in der Kritik

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Die letzten Jahre fanden wir uns in einem Abwärtsmodus wieder, dem nur entgegengewirkt wurde, indem er schöngeredet wurde. Heute sind wir im Dauerkrisenmodus, der von einem Maximum zum nächsthöheren klettert. Was heute noch richtig übel ist, wird morgen durch eine Steigerung dessen verdrängt sein. Und schuld sind – neben Putin, der die Top 3 anführt – die Bürger selbst. Weil sie nämlich weiter irgendwie so etwas wie ein ganz normales, möglichst gutes Leben führen wollen. Doch das spricht gegen die “Herausforderungen der Zeit”, die wir mit allen Mitteln in den Griff kriegen müssen. Das gute Leben muss also warten, bis die Welt gerettet ist.

Gut möglich, dass es zunächst gelingt, endlich das Klima zu retten, bevor man sich dann gnädigerweise anderen Dingen wie etwa dem bezahlbaren Wohnen für alle zuwenden kann. Ganz sicher ist jedoch, dass – was auch kommen mag – die herrschenden Politiker alles in ihrer Macht Stehende dafür tun werden, dass es den von ihnen regierten Menschen künftig nicht besser, sondern schlechter gehen wird.

Da ist das wiederkehrende Ereignis irgendwelcher Wahlen höchstens eine Randnotiz wert.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs “neulandrebellen“.

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