Meinung Wenn der Mainstream über Faule und Fleißige debattiert, ist was faul
Die katastrophalen Missstände haben nichts mit irgendwelchen Flüchtlingen, aber sehr viel mit der von Merz favorisierten neoliberalen Privatisierungs- und Deregulierungsagenda im Gesundheitswesen der letzten 25 Jahre zu tun. Ein dem Markt unterworfenes Gesundheitssystem muss eben Gewinne erzielen. Da kommt als erster an die Reihe, wer genügend Kaufkraft hat und ein paar Scheine auf den Tisch legt.
Behandlung für Flüchtlinge nur im akuten Notfall
Und wie das immer so bei Propaganda ist, geht es um Emotionen, nicht um Fakten. So auch bei Merz, denn wahr ist vielmehr: Die von ihm erwähnten gut 300.000 abgelehnten, aber großteils aus verschiedenen Gründen vorübergehend geduldeten Asylbewerber erhalten ausschließlich im Notfall medizinische Versorgung, wie ein Blick auf die Seite des Bundesministeriums der Gesundheit (BMG) belegt.
Demnach sind Asylbewerber während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens, das oft viele Jahre dauert, nicht krankenversichert. Eine ärztliche Behandlung bezahlen ihnen die Sozialämter ausschließlich im akuten Notfall, also wenn sie schwer erkrankt sind, unter Schmerzen leiden oder schwanger sind. Je nach Bundesland müssen sie entweder jedes Mal beim Sozialamt dafür einen Schein beantragen oder sie bekommen eine elektronische Gesundheitskarte. Erst wenn Flüchtlinge und Migranten einen Aufenthaltstitel erhalten haben, dürfen sie Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse werden.
Das gilt auch für einen Besuch beim Zahnarzt. Kronen, Brücken oder Prothesen gehören nicht zum regulären Leistungsumfang. Nur im Notfall, etwa wenn Betroffene durch Zahnlosigkeit nicht mehr essen können, werden Kosten für eine billige Prothese übernommen. Ansonsten gilt: Den Zahnarzt aufsuchen dürfen Asylbewerber nur bei akuten Schmerzen und Erkrankungen im Mund.
Die Bundeszahnärztekammer schreibt dazu in einem Merkblatt, dass Ärzte entscheiden müssten, welche Behandlungen und Untersuchungen tatsächlich zwingend notwendig und vom Asylbewerberleistungsgesetz abgedeckt seien. Dabei könne “der Behandler in einen ethischen Konflikt geraden, wenn mögliche zahnerhaltende Maßnahmen nicht finanziert werden.” Denn normalerweise berechtige “erst der akute Schmerzfall eine Behandlung”.
Imperialismus schafft Flüchtlingsströme
Diese Feststellungen ändern natürlich nichts an der Tatsache, dass Deutschland nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen kann, ohne massive soziale Verwerfungen in Kauf zu nehmen. Die Politik schafft es ja nicht einmal, für ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Darunter leidet ganz besonders der ärmere Teil der einheimischen Bevölkerung.
Fakt ist aber auch: Solange die NATO-Staaten jenseits und diesseits des Atlantiks mit ihrer imperialistischen und neokolonialistischen Außenpolitik die Länder des globalen Südens weiterhin wirtschaftlich ausplündern und allerorts neue Brandherde für Kriege legen, werden die Flüchtlingsströme in die EU nicht abreißen. Schließlich verlassen Menschen nicht ihre Heimat gen Norden, weil das Wetter in Deutschland so toll ist.
Auch die rabiateste Abschottungspolitik wird daran nichts ändern, solange USA und EU ihren imperialistischen Krieg mit und ohne Waffengewalt vorantreiben. Langfristig wäre das Problem nur durch eine Abkehr vom systemischen Wahnsinn zu lösen, hin zu einer Kooperation mit den abhängten Ländern, in denen Elend, Hunger und hohe Kindersterblichkeit auch im 21. Jahrhundert real sind.
Die Heuchelei der Migrationskrisen-Verursacher
Doch für eben diese imperialistische Politik stehen nicht nur einzelne Politiker, wie Friedrich Merz, sondern fast alle größeren Parteien, von der CDU über die FDP und die AfD bis hin zu den Grünen und zur SPD. Auch die Partei Die Linke hat ihren einst oppositionellen Kurs dazu weitgehend aufgegeben und agiert nurmehr als zahnloser Tiger mit schwachen Bekenntnissen.
Würden die EU-Staaten ernsthaft die Flüchtlingsströme bekämpfen wollen, müssten sie wohl geschlossen aus der NATO austreten, mit Afrika, China, Indien und Russland verhandeln und eigenständige Bündnisse zum gegenseitigen Vorteil etablieren, mit dem vorrangigen Ziel gegenseitiger Wirtschaftsförderung.
Das aber würde so gar nicht zum kapitalistischen Hauen und Stechen um Maximalprofit und Marktanteile passen. Einsicht und Umkehr sind nicht in Sicht. Der ehemalige BlackRock-Lobbyist Merz und viele andere Politiker werden sicherlich noch öfter populistisch lügen. Denn solange sich die “kleinen Leute” an die sprichwörtliche Gurgel gehen, können Millionäre wie er sich beruhigt auf ihren Posten zurücklehnen.
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