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“Imperiale Werte”: Neuseeland streicht Shakespeare-Festival aus politischen Gründen die Mittel

"Imperiale Werte": Neuseeland streicht Shakespeare-Festival aus politischen Gründen die Mittel

Quelle: Gettyimages.ru © Scott BarbourArchivbild: Ein Mitarbeiter von Sotheby’s hält die erste Folio-Ausgabe der Shakespeare-Stücke aus dem Jahr 1623.

“Vollidioten!” – so reagierten neuseeländische Theater- und Filmstars auf die Entscheidung der Regierungsbehörde, das Shakespeare-Schulfestival in Otago mittellos zu lassen. Mitte Oktober wurde bekannt, dass die Organisation Creative NZ, eine Behörde, die öffentliche Mittel für Kultureinrichtungen vergibt, es ablehnte, die Finanzierung für das Festival bereitzustellen.

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Wie The New Zealand Herald berichtete, sorgte die Entscheidung von Creative NZ für Schlagzeilen in großen britischen Medien wie The Guardian und Daily Telegraph. Und der neuseeländische Radiosender Today FM betitelte den Bericht über die Mittelkürzung für das Festival gar wie folgt: “William Shakespeare: To cancel or not to cancel?”

The New Zealand Herald schrieb über die Regierungsentscheidung Folgendes:

“In einem Dokument zur Bewertung der Finanzierung äußerte der Vorstand von Creative NZ die Sorge, dass das Festival ‘die Relevanz für den zeitgenössischen Kunstkontext in Aotearoa in dieser Zeit, an diesem Ort und in dieser Landschaft nicht nachweisen konnte’.

Außerdem hieß es, Shakespeare sei ‘in einem Kanon des Imperialismus angesiedelt und verpasste die Gelegenheit, einen lebendigen Stoff zu vermitteln und Relevanz zu zeigen’.

Die Gutachter werden in dem Dokument mit den Worten zitiert, der Antrag zwinge sie dazu, ‘sich zu fragen, ob ein singulärer Fokus auf einen elisabethanischen Dramatiker für ein entkolonialisiertes Aotearoa in den 2020er Jahren und darüber hinaus am relevantesten ist’.”

Das Sheilah Winn Shakespeare Festival wurde im Jahr 1989 von der neuseeländischen Kunstmäzenin und Philanthropin Sheilah Winn gegründet. Es wird jährlich von dem Shakespeare Globe Centre NZ organisiert. In den letzten zehn Jahren hatte das Shakespeare Globe Centre NZ jedes Jahr rund 30.000 australische Dollar (über 19.000 Euro) von Creative NZ für das Festival erhalten. Die Veranstaltung, bei der die Schüler Auszüge aus den Stücken des Barden aufführen, ist zu einer echten Talentschmiede für die Theater- und Filmbranche des Landes geworden. Die berühmte neuseeländische Schauspielerin Robyn Malcolm (sie war unter anderem in dem Blockbuster “Der Herr der Ringe: Die zwei Türme” zu sehen) erzählte gegenüber The New Zealand Herald:

“Ich habe das Festival auf lokaler und nationaler Ebene juriert. Im Laufe der Jahre habe ich eine Reihe von Kindern dabei begleitet, wie sie zum Globe in London gereist sind, um das nationale Finale zu gewinnen. Sie haben anschließend eine professionelle Karriere als Schauspieler oder Regisseure eingeschlagen.”

Malcolm bezeichnete die Regierungsbehörde als “Vollidioten” und die Entscheidung, dem Festival die Mittel zu streichen, “mehr als kurzsichtig, reaktionär und einfach nur dumm”.

“Bei allem Respekt, wenn man beschließt, den größten Schriftsteller der englischen Sprache, oder einer anderen Sprache, zu canceln, klingt man wie ein verdammter Idiot”, pflichtet ihr der berühmte Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor Sam Neill bei. Der Star von Spielbergs “Jurassic Park” und dem mit drei Oscars und einer Goldenen Palme von Cannes prämierten Filmdrama “Das Piano” schäme sich für die Entscheidung der Behörde und meint, dass man mit einer solchen Entscheidung das Land “verdammt dumm aussehen” lasse.

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Sein Bruder, der emeritierte Englischprofessor der Universität Auckland und renommierte Shakespeare-Forscher Michael Neill, hatte zuvor einen offenen Brief an die Organisation Creative NZ geschrieben und die Kürzung der Mittel für das Festival scharf kritisiert.

Er bezeichnete darin den Schritt der Regierungsbehörde als “höchst fragwürdig” und “unüberlegt”. Die Befürchtung, dass die Shakespeare-Werke von der Geschichte der Māori ablenken würden und daher für Aotearoa-Gebiete heutzutage nicht von Bedeutung seien, sei völlig unbegründet, so der Shakespeare-Forscher.

In seinem offenen Brief sagte Neill unter anderem, dass es “eine reiche Geschichte der Beteiligung der Māori an Shakespeare” gebe:

“Der große Māori-Führer und -Gelehrte Pei Te Hurinui Jones übersetzte ‘Othello’, ‘Julius Cäsar’ und den ‘Kaufmann von Venedig’.”

Neill meinte auch, Shakespeare sei zwar “einst als Instrument der Kolonisierung enteignet worden”, doch sei sein Werk mittlerweile sicher zu einer “Waffe der Entkolonialisierung” geworden.

In den Fall des Shakespeare-Festivals hat sich nun auch die neuseeländische Politik eingeschaltet. So schreibt The New Zealand Herald, dass der Vorsitzende der neuseeländischen Partei “New Zealand First”, Winston Peters, auf Facebook schrieb: Die Streichung der Mittel bedeute “in Wirklichkeit”, dass “diese überbezahlten, kränklichen, liberalen, bürokratischen Schwachköpfe beschlossen haben, dass der ‘koloniale’ Shakespeare nicht zum aktuellen politischen Kultur- und Sozialprogramm passt, das uns aufgedrängt wird”.

“Seit Jahrhunderten respektieren unzählige Länder auf der ganzen Welt Shakespeare und die Lehren und die Kultur, die es der Gesellschaft bringt”, sagte Peters außerdem. “Jetzt haben wir diese Kulturmarxisten in unserem Land, die versuchen, alles zu löschen, was ihre wahnhafte Ideologie bedroht. Was wird aus Neuseeland?”

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Der Vorsitzende der rechtsliberalen Partei ACT, David Seymour, meinte dazu, die Mittelkürzung mache Neuseeland auf der Weltbühne zur Lachnummer.

“Das Vereinigte Königreich und Australien berichten fassungslos, dass Neuseeland die Mittel für Shakespeares Werke aus Sorge vor ‘Imperialismus’ und ‘kolonialen Ansichten’ kürzt”, so Seymour empört. “Alle Kulturen verdienen in Neuseeland Respekt, nicht nur die, die der Ideologie der Linken entsprechen.”

“Sein oder nicht sein” für das neuseeländische Shakespeare-Festival ist nun eine offene Frage. Professor Neill meinte jedenfalls, die Behörde müsse “die wahre Geschichte von Shakespeare in Aotearoa” anerkennen und ehren. “Die Rücknahme der unüberlegten Streichung der Mittel für das Sheilah Winn Shakespeare Festival wäre ein Anfang”, so der Forscher.

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