Alastair Crooke: Spannungen in der Ukraine, zunehmende Isolation der USA, EU wird zum Vasallen
Nicht, dass die gegenwärtige Machtstruktur in den USA, die weltweit die Interessen einer winzigen Oligarchie vertritt, etwas Erhaltenswertes wäre, aber ein solcher Moment einer tiefen gesellschaftlichen Krise kann nicht nur in einer Veränderung zum Guten resultieren. Es ist vielmehr so, dass er nur dann dieses Ergebnis haben kann, wenn es Kräfte gibt, die zum einen die brennendsten gesellschaftlichen Fragen beantworten könnten und zum anderen eine Grundlage bieten, wieder einen Konsens herzustellen. Gibt es sie nicht, lautet das Ergebnis nicht Befreiung von dieser oder jener Herrschaft, sondern tatsächlich Zerfall aller komplexeren Strukturen.
Die gewaltige Begriffsverwirrung, die es unmöglich macht, “progressiv” oder “konservativ” sinnvoll zu definieren und den darin verkörperten Interessen zuzuordnen, ist zwar den augenblicklich bedienten Interessen der Oligarchie nützlich, führt aber zu einer entscheidenden Schwächung jener Kräfte, die der Erosion entgegenwirken könnten. Ich versuche einmal, das einfacher zu formulieren:
Wenn eine Gesellschaft so tief im Dreck steckt, dass Infrastruktur, Verwaltung, Zuversicht und die Gültigkeit selbst der grundlegenden Gebote menschlichen Zusammenlebens auseinanderbrechen, dann kann das nur entlang der Linien aufgefangen werden, die von den Interessen großer gesellschaftlicher Gruppen bestimmt sind. Man könnte sagen, dass der “Contract Social” neu ausgehandelt werden müsse. Wenn es aber tabuisiert ist, diese Interessen wahrzunehmen und auszusprechen, weil es als unmoralisch gilt (ein Schritt, den beispielsweise die Klimaideologie unternimmt), dann fehlt die Verhandlungsgrundlage, um einen Neuanfang zu ermöglichen.
Der Umbruch, der gerade weltweit geschieht, hat natürlich Rückwirkungen auf die Vereinigten Staaten (selbstverständlich gilt das auch für Europa). Wenn sich die Souveränitätsbestrebungen des Globalen Südens durchsetzen – und das werden sie – wird das unvermeidlich eine schwere wirtschaftliche Krise in jenen Ländern auslösen, die von der bisherigen Ordnung profitiert haben. Um diese Krise mildern zu können und einen Platz in der neuen ökonomischen Struktur zu finden, wäre es unverzichtbar, auf Grundlage der volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten und im Interesse der überwiegenden Mehrheit zu handeln. Ist das nicht möglich, dann entfaltet sich diese Krise auf allen Ebenen, nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch, sozial und moralisch.
Dieser Umbruch wird sich mit allem Einsatz für die Interessen der Oligarchie nicht verhindern lassen. Die Zuspitzung, die sich in den USA entlang der im Kern etwas bizarren Linie “Demokraten gegen Republikaner” abzeichnet, ist für die Möglichkeit damit umzugehen, ein ausgesprochen schlechtes Zeichen. Dass dabei nun auch die Bereitschaft auftaucht, Gewalt einzusetzen, erhöht die Gefahr weiter, dass diese Gesellschaft auf eine lange Phase des Chaos zusteuert.
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