China bezeichnet USA als weltweit größte Nuklearbedrohung
Boris Johnson wird sich sicher über dieses Lob von Kriegstreiber zu Kriegstreiber gefreut haben. Für den Rest der Welt ruft das nur einmal mehr seine persönliche Beteiligung am Scheitern der Verhandlungen in Istanbul Ende März vergangenen Jahres ins Gedächtnis. Und ebenso die Tatsache, dass ohne Politiker wie Johnson und Bolton das ukrainische Schlachtfeld längst befriedet wäre.
Aber hier finden wir bereits den parallelen Gedanken zu Axe. “Putin”, also die Regierung der Russischen Föderation, rasselt mit dem Säbel, und die NATO dürfe sich davon nicht einschüchtern lassen.
Wirklich irrwitzig wird es, als er auch noch gewissermaßen ein Zitat des anderen politischen Flügels, in diesem Fall von CIA-Direktor William Burns, verwendet, um seinen aberwitzigen Schluss zu begründen. Burns soll zumindest versuchen, wieder einen Gesprächskontakt herzustellen, was angesichts der entschwundenen Glaubwürdigkeit westlicher Zusagen schwierig genug sein dürfte.
Auf der Sicherheitskonferenz in Aspen am 20. Juli 2023 jedenfalls sagte Burns Folgendes in Bezug auf die russischen Verweise auf die Möglichkeit eines nuklearen Konflikts:
“Das ist jedoch nichts, was wir auf die leichte Schulter nehmen können. Wir sehen heute keine konkreten Vorbereitungen für den möglichen Einsatz nuklearer Waffen. Wir haben im Gespräch mit Sergei Narischkin, einem meiner russischen Gegenspieler, und durch andere Kanäle sehr klar gestellt, wie sehr uns das Sorgen bereitet (…) Wir sehen keine unmittelbaren Zeichen von Vorbereitungen eines Atomwaffeneinsatzes.”
Burns, acht Jahre jünger als Bolton, scheint sich auf jeden Fall besser daran zu erinnern, was MAD bedeutet. Vielleicht erinnert er sich auch noch an einige der Beinahe-Katastrophen, bei denen die Welt nur noch Augenblicke von einem Schauer aus Atomraketen entfernt war. Seine Formulierung jedenfalls deutet an, dass er noch im Blick hat, dass man mit nuklearen Waffen nicht spielt.
John Bolton nimmt diese Aussage von Burns und dreht sie in ihr Gegenteil. Was bei Burns nur eine tatsächliche Sorge etwas abmildern soll, wird bei Bolton zum Argument, die Sorge selbst zur Einbildung zu erklären.
“Es gibt keinen Beweis, dass Russland die konventionellen militärischen Fähigkeiten hat, die NATO zu bedrohen, oder den Willen, einen Nuklearschlag zu führen. Trotz Moskaus wiederholter nuklearer Drohungen hat die Nachrichtendienstgemeinschaft in Aussagen gegenüber dem Kongress bestätigt, dass die nuklearen Einrichtungen Russlands nicht einmal in Alarmbereitschaft versetzt wurden. Herr Putin hat geblufft. Das kann sich ändern, aber Bluffs nachzugeben gibt ihm genau das, was er haben will, umsonst.”
Wie bei Axe lautet Boltons Antwort auf die Gefahr eines Atomkriegs nur: “Der blufft.” Die Argumentation ist etwas anders, das Ergebnis allerdings ist gleich. Auf geradezu gespenstische Weise scheinen sie Sergei Karaganows These bestätigen zu wollen, die US-Amerikaner nähmen das atomare Risiko nicht mehr ernst und bedürften dringend einer Gedächtnisauffrischung; während jedoch der Debattenbeitrag Karaganows in Russland große Wellen schlug und ein Autor nach dem anderen widersprach, sind die Reaktionen auf die beiden Texte von Axe und Bolton jenseits der Sphäre alternativer Medien nicht messbar.
Meinung Die “atomaren Ziele” des “Kremlberaters”
Dabei liegt die Entscheidung über den Einsatz atomarer Waffen in den USA tatsächlich in der Verfügung einer einzelnen Person, und die heißt Joe Biden. Selbst wenn er nicht bis auf die Knochen korrupt wäre und seine Außenpolitik in Bezug auf Russland und China nicht von einer Victoria Nuland bestimmt würde, müsste allein sein kognitiver Zustand in diesem Zusammenhang Sorgen machen.
Bolton jedenfalls fordert mehr vom Gleichen; mehr Sanktionen, auch gegen China, mehr Waffen für die Ukraine, eine Einbeziehung von Japan und Nordkorea in die NATO…
“Die Ukraine ist genau die Art von Krise, die globale Zusammenarbeit erfordert.”
Nur keine Sorgen vor russischen Atomraketen, munter eskaliert, schließlich blieben sie bis heute in den Silos. Alles nur ein Bluff!
Das Problem, das der Rest der Menschheit mit Boltons Argumentation haben könnte, ist, dass im Zusammenhang mit Atomraketen nicht nur der Einsatz, sondern schon allein die Einsatzbereitschaft mit Vorsicht zu behandeln ist. Das Risiko – und genau das belegen die Beinahe-Katastrophen der Vergangenheit – liegt in möglichen Fehlern. Fehler, die im “Normalzustand” keine Konsequenzen haben, weil ein längerer Zeitraum zwischen einer Information über eine mögliche Bedrohung und einer Reaktion liegt, und damit Fehler noch korrigiert werden können.
Einmal war es nur das Zögern eines sowjetischen U-Boot-Kommandanten, einen vermeintlichen Angriff mit einer Rakete zu erwidern, das einen Atomkrieg verhinderte. Denn der Start der großen Interkontinentalraketen ist das eine. Aber im Zustand der Einsatzbereitschaft kann ein kleiner Vorfall oder Fehler eine Reaktion auslösen, die die Eskalation unaufhaltbar in Gang setzt. Wer, im Gegensatz zu Bolton, sich noch dieser Gefahren bewusst ist, spielt nicht einmal mit der Einsatzbereitschaft solcher Waffen herum.
Russische Experten verurteilen Forderungen nach nuklearem Präventivschlag
Das allerdings signalisiert das Gegenteil dessen, was Bolton daraus liest. Würde es um einen Bluff gehen, würde man in Russland nukleare Waffen als etwas betrachten, womit man herumspielen kann, dann hätte Bolton seine Einsatzbereitschaft bekommen. Es ist nicht Russland, das in diesem Zusammenhang zu fürchten ist.
Dass binnen kurzer Zeit aber bereits die zweite Reaktion auf die erkennbare ukrainische Niederlage lautet: “Nur keine Angst vor russischen Atomwaffen”, das sollte wirklich Angst machen. Das Wall Street Journal ist nicht das Tageblatt von Posemuckel, und John Bolton ist nicht der aktuelle Volontär. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der engere Kreis um Victoria Nuland genau so denkt wie Axe und Bolton. Eine unerfreuliche Aussicht.
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