Vor ein paar Wochen hatte ich in einem Kommentar zur Situation der Gasknappheit in Transnistrien angedeutet, dass Erdgas aus Russland, das durch die Rohrleitung über die Ukraine in die Moldauische Republik Transnistrien und dann nach Moldawien geht, gestohlen wird – nach alter ukrainischer Tradition. Daraufhin kritisierten einige fortgeschrittene Blogger in Lohn und Brot den Politikwissenschaftler vom Dienst heftig. “Was versteht der schon von dem Gastransportsystem”, hieß es.
Nun gab aber gestern der russische Erdgaslieferant nach Transnistrien und Moldawien, die Aktiengesellschaft Gazprom, offiziell bekannt: Gas aus Russland, das für die Versorgung Transnistriens und Moldawiens bestimmt ist, setzt sich ab (*hust*) – und zwar auf dem Territorium des Transitlandes, sprich der Ukraine:
“Die von Gazprom über das Gasflussvermessungswerk Sudscha gelieferte Gasmenge für den Transit durch die Ukraine nach Moldawien übersteigt die physische Menge, die über die Grenze der Ukraine an Moldawien geliefert wird.”
Wer angesichts der extremen Ereignisse der vergangenen Jahre die jüngere Geschichte vergessen hat, sei erinnert: Den Ausdruck “luchsen” in diesem Zusammenhang verdanken wir Julia Timoschenko, der einstigen “Gasprinzessin der Ukraine”. Damals, noch bevor sie Premierministerin wurde, sprach die gute Julia Wladimirowna einen sakramentalen Satz aus. Es ging um die Machenschaften des ukrainischen Erdgasnetzbetreibers Naftogaz mit den Lieferungen aus Turkmenistan. Dies waren Lieferungen durch dieselbe Transitleitung, also auch durch russisches Gebiet, unter durch die ukrainische Seite manipulierten und fingierten Preisen und Tarifen. Als der Betrug aufflog, stellte der russische Lieferant Anfang 2006 die Gaslieferung ein. Zu diesem Zeitpunkt gab Frau Timoschenko, damals wohlgemerkt potenzielle Präsidentschaftskandidatin, folgenden Kommentar ab:
“Nicht luchsen, sondern uns das Unsere nehmen!”
Seitdem hat sich in den Köpfen der ukrainischen Beamten und Oligarchen wenig geändert. Nur dass sie inzwischen das Land in Schutt und Asche gelegt, einen Bürgerkrieg angefacht, Letzteren an ausländische Promoter ausgelagert und sich unwiederbringlich mit ihren russischen Kollegen überworfen haben.
Heute stellt sich die Situation wie folgt dar. Mit enormen Schwierigkeiten trieb der moldawische Betreiber Moldovagaz Geld auf und bezahlte Gazprom für dessen Lieferungen im November, wie es der Vertrag vorsieht. Doch es besteht ein Mengenunterschied zwischen dem Gas aus Russland, das Moldawien und Transnistrien tatsächlich erhalten, und der in die Ukraine eingehenden Transitmenge. Die Menge an Erdgas, die sich in der Ukraine “abgesetzt” hat, beträgt 52,5 Millionen Kubikmeter. Nur zum Verständnis: Das sind zwei Drittel des an Moldawien und an Transnistrien zu liefernden Gases. Stehlen die Ukrainer jetzt also auch noch den Moldawiern das Erdgas?