“Bösartige Leute”: CDU-Politiker fordern schärfere Regeln für Messengerdienste
Man müsse die Rechtsverletzung “auf den ersten Blick” erkennen. Das treffe bei diesen Videos nicht zu, so der Vorsitzende. Außerdem habe Schneider bei seinem Vorwurf versäumt zu erwähnen, welche seiner Werke verfälscht wiedergegeben worden seien. Dazu wäre er offenbar nach Auffassung des Richters verpflichtet gewesen. Schließlich sei fraglich, ob Schneider materielle Nachteile durch die Videoveröffentlichungen erlitten habe – denn die Videos seien kaum noch auffindbar.
Nach Auffassung seines Anwalts muss Schneider nicht vortragen, in welchen Werken er falsch zitiert wurde. Seiner Meinung nach liegt die Beweislast entsprechend § 186 Strafgesetzbuch beim Beklagten. Demnach müsse Google beweisen, so Kompa, in welchen Werken der Physiker die ihm unterstellten Aussagen gemacht habe, nicht umgekehrt. Dem widersprach der Richter. Der Kläger könne nicht einfach erklären, “so habe ich das nicht gesagt”, und sich auf Falschbehauptungen berufen, entgegnete Eßer da Silva. Er müsse in seinem Werk nachweisen, dass er das nirgendwo so gesagt habe.
Feststellung des Richters: Schneiders “wilde Thesen” sind viel problematischer als eventuelle Falschbehauptungen über ihn
An dieser Stelle machte der vorsitzende Richter eine Aussage über die wissenschaftliche Arbeit des Naturwissenschaftlers. Seine Arbeit beinhalte “wilde Thesen”. Aus dieser Bewertung des Werkes von Schneider zog er dann eine Schlussfolgerung für das Gerichtsverfahren: Seiner Meinung nach sind die Thesen, die Schneider verbreitet, im Verhältnis viel problematischer als die eventuellen Falschbehauptungen über ihn in den Videos.
“Es dürfte wohl viel problematischer sein, dass so eine wilde These überhaupt verbreitet wird, als dass in einem Teilbereich Falschbehauptungen gemacht werden.”
Hinsichtlich so einer abwertenden Bemerkung über die Arbeit des Klägers stellt sich die Frage, ob hier nicht eine Voreingenommenheit des Richters gegenüber dem Naturwissenschaftler zum Ausdruck kommt.
Anschließend fuhr Eßer da Silva mit seiner juristischen Bewertung des Antrags auf Löschung des Youtube-Videos fort. In dem Video möge zwar die eine oder andere Aussage “nicht in Ordnung” sein, aber dafür könne man Google nicht als Störer belangen. Dafür könne man sich “allerhöchstens” an den Videoproduzenten wenden. Aber selbst da gebe es für Eßer da Silva “große Fragezeichen”, ob hier “die Schwelle” überschritten worden sei. Insofern könne Schneider nun entweder die Klage zurückziehen oder in die nächste Instanz gehen. Dabei wies der Richter den Kläger noch darauf hin, dass er dort keine Aussicht auf Erfolg habe.
Richter: Bei Rechtsverletzungen kann man nicht immer jemanden verantwortlich machen
Schneider zog die Klage nicht zurück. Mit einer Nachfrage wollte er sich beim Richter vergewissern, ob er dessen Aussagen richtig verstanden habe: Wie er den Vorsitzenden verstanden habe, komme es bei der richterlichen Entscheidung in diesem Verfahren gar nicht darauf an, ob die Aussagen über ihn in dem Video richtig oder falsch seien, sondern die Aussagen über ihn müssten laut Gesetzgebung “offensichtlich” als falsch erkennbar sein? Eßer da Silva antwortete, bei Rechtsverletzungen gebe es nicht in jedem Falle einen Schuldigen, den man zur Verantwortung ziehen könne. Wortwörtlich sagte er:
“Es gibt nicht immer jemanden, wenn ich mich in meinen Rechten verletzt fühle, den ich rechtlich verantwortlich machen kann.”
Damit müsse man sich abfinden, fügte er hinzu. Nachdem klar war, dass der Physiker die Klage nicht zurückziehen würde, reagierten die Hamburger Anwälte von Google, Frau Warendorf und Herr Kühn. Sie erklärten: “Wir bestreiten, dass hier unwahre Tatsachenbehauptungen in den Videos enthalten seien.” Außerdem forderten sie, dass die zuletzt vom Klägeranwalt eingereichten Schriftsätze nicht in die Urteilsfindung einfließen sollten – sie seien zu spät zugestellt worden. Google beantragte Klageabweisung.
Der Richter sei der Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Aussagen in dem Video in keiner Weise nachgegangen, so Schneider gegenüber der Autorin in Gespräch nach der Verhandlung. In der Konsequenz bedeute für den Naturwissenschaftler die richterliche Urteilsankündigung, “dass jede Verleumdung einer anderen Person nicht gelöscht werden muss, sofern sie nur ‘nicht offensichtlich’ ist. Wer entscheidet dann, was offensichtlich ist und was nicht?” Nach dem zu erwartenden Urteil dürfe man anscheinend anonym auf Youtube hochgeladene Videos mit verleumderischen Aussagen veröffentlichen. Und anscheinend müsse Google diese weder löschen noch die Daten des Produzenten freigeben.
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