Meinung Wenn ein Pflegeheim zum Pflegen die Feuerwehr rufen muss
Es gibt so viele Punkte, an denen man weiter nachdenken und nachfragen müsste, weil sonst das Problem nicht richtig erkannt wird. Und das ist eigentlich der Moment, an dem die journalistische Arbeit anfängt. Eine gut gemachte Presseerklärung (und diese ist gut gemacht) liefert sogar schon die Zitate von Personen, die nicht in Diensten der erklärenden Institution stehen. Eben besagte Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft Leipzig, deren Zitat sowohl beim Spiegel als auch beim Stern den Eindruck erweckt, da habe jemand sich die Mühe gemacht, dem Pressematerial noch etwas hinzuzufügen. Pustekuchen, alles Teil des Pakets. Mehr als Copy and Paste ist da nicht passiert.
Und es ist der fehlende Hinweis auf die Proportionen, der das belegt. Denn es ist kein großer Aufwand, die Leistungsausgaben der KKH zu finden. Eine Suchanfrage, Zeitaufwand 30 Sekunden. Man sollte immer daran denken, dass jeder, der eine Presseerklärung veröffentlicht, damit eigene Interessen verfolgt. Was heißt, man kann die Informationen verwenden, sollte aber zumindest gelegentlich die Plausibilität überprüfen.
Etwas über 0,5 Promille, das würde vielleicht dann ein Skandal, wenn man eine Dunkelziffer von 90 Prozent ansetzt; dann wären es tatsächlich 5 Prozent. Aber nirgends in der Presseerklärung ist von einer Dunkelziffer die Rede. Und dann muss man noch die Tatsache bedenken, dass menschliches Handeln unvollkommen ist, sprich, es schlicht keine Tätigkeit gibt, bei der es nicht auch eine natürliche Fehlerquote gibt. Das gilt wohl eher nicht für Frau von der Leyen und ihren Milliarden-Deal per SMS, aber es gilt für die ambulant Pflegenden, unter denen es tatsächlich auch noch Soloselbständige gibt, die nicht auf Buchhaltung und Abrechnungsverfahren spezialisiert sind.
Interessant ist es auf jeden Fall, wie gern Formulierungen vom “raffinierten Betrugssystem” “gewissenloser Täter” übernommen werden. Ohne darauf hinzuweisen, dass die ganzen 3,5 Millionen schon vor den jährlichen Leistungen der KKH nicht beeindrucken, angesichts der Milliarden, die bei der wirklichen Korruption etwa in Brüssel verschoben werden, aber geradezu zu einem Nichts verblassen. Übrig bleiben eigentlich nur ein paar Fragen. Will die Verwaltung der KKH ein paar zusätzliche Stellen und wärmt die Debatte dafür schon einmal vor? Oder sind vom Verband der Krankenkassen weitere Einschränkungen geplant, beispielsweise bei der ambulanten Pflege, für die der Boden bereitet werden soll?
Die Richtung ist noch nicht ganz klar. Aber am Ende geht es diesen Meldungen wie Cinderella um Mitternacht. Die Kutsche wird wieder zum Kürbis, die Pferde zu Mäusen, und das Ballkleid ist doch derselbe alte Lumpen. Nur der Leser, der dieses aufgeschäumte Nichts serviert bekam, bleibt mit einem schalen Geschmack im Mund zurück und fühlt sich missbraucht.
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