Parolen von Nazi-Kollaborateuren ertönen auf Friedens-Demonstrationen in Deutschland
In Cannes erlebten zwei weitere Ukrainerinnen eine ähnliche Überraschung. Die eine ‒ eine Fitness-Bloggerin ‒ betrat den roten Teppich in einem Kleid in den Farben der ukrainischen Flagge, übergoss sich mit Kunstblut und wurde von den Sicherheitsleuten weggeschoben. Die Zweite versuchte, mit einem T-Shirt zu posieren, auf dem ein beleidigender Spruch über Putin stand. Aber sobald sie den Reißverschluss ihrer Jacke öffnete, zwangen die Wachleute sie, die Jacke wieder anzuziehen.
Die russische Schriftstellerin und Publizistin Marina Achmedowa erkennt darin eine Tendenz:
“Die Tatsache, dass die Regierungen Europas und Amerikas Waffen in die Ukraine schicken, ist nicht dasselbe wie die Tatsache, dass die Ukrainer willkommen sind, geliebt und toleriert werden. Ich würde sagen, der Zustrom von Waffen zeigt das Gegenteil ‒ Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Ukrainer. Das liegt an der politischen Führung. Und die gewöhnlichen Amerikaner und Europäer sind irritiert und der Ukraine gegenüber müde geworden. Aber nicht, weil sie Russland lieben. Sondern einfach, weil sie verärgert sind, wenn ihr glückliches Weltbild gestört wird. Vor allem von Menschen wie Kostjuk, die sich nicht an die Regeln halten. Und diese Verärgerung ist bereits deutlich sichtbar. Von nun an wird es immer mehr zu staunen geben.”
In deutschen Medien fanden sich andererseits Stimmen, die sich über das lautstark geäußerte Missfallen der Zuschauer des Tennisspiels, die unfreiwillig zu Zeugen einer offensichtlichen Unsportlichkeit geworden waren, empörten. So befand der anonyme Autor eines Artikels über Kostjuks Unsportlichkeit auf web.de , die Buhrufer sollten sich schämen:
“Seit Beginn des russischen Angriffskriegs protestiert Kostjuk so in Partien gegen Spielerinnen aus Russland und Belarus gegen deren Teilnahme an Turnieren. Die überraschende Reaktion des Publikums auf dem Court Philippe-Chatrier ließ gleich das erste Match zum großen Politikum werden.”
Wie sportliches (und empathisches) Verhalten in einer weltpolitischen Situation, die für den Normalsterblichen in ihrer ganzen Komplexität kaum zu erfassen ist, aussieht, demonstrierte dagegen die Weißrussin. Die 25-Jährige Australian-Open-Gewinnerin zeigte Verständnis für den Verzicht auf einen Handschlag:
“Ich kann mir vorstellen, was mit ihnen von ukrainischer Seite passiert, wenn sie uns die Hand geben. Ich denke, dass sie es nicht verdient hat, auf diese Art den Platz zu verlassen.”
Nach der Partie hatte Sobolenko zunächst überrascht auf den Unmut des Publikums reagiert und sich in Richtung der Zuschauer verneigt. Sie habe zunächst gedacht, dass die Buhrufe ihr gelten würden, berichtete sie anschließend.
Wenn Ukrainer mit gleicher Empathie auf das Leid, das ihr Land seit 2014 ununterbrochen bis heute den Einwohnern von Donezk und Lugansk zufügt, reagieren würden, wäre der Krieg längst vorbei und die russische Intervention im Februar 2022 vielleicht gar nicht erst nötig gewesen.
“Sport, du bist der Frieden!”. Soll sagen: Du wolltest es sein.
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